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Montag, 4. Mai 2015

Die entscheidende Wende ihres Lebens


Madame Guyon“ - Jeanne Marie Guyon du Chesnoy

Pater Archange Enguerand, ein Franziskaner der streng kontemplativen Richtung der Rekollekten, sprach zu der bereits zweifachen, erst zwanzigjährigen Mutter als Antwort auf ihre Schwierigkeiten beim Gebet:

„Das kommt daher, weil Sie außen suchen, was Sie doch inwendig in sich haben. Gewöhnen Sie sich daran, Gott in Ihrem Herzen zu suchen, so werden Sie ihn dort finden.“

In ihrer Autobiographie schreibt Jeanne Marie Guyon:

„Diese Worte waren mir wie ein Pfeil durch mein Herz gefahren. Ich empfand in jenem Augenblick eine sehr tiefe Wunde, die voller Anmut und Liebe war, ja eine so angenehme und liebliche Wunde, wovon ich mein Lebtag nicht wieder zu genesen verlangte. Diese Worte legten mir dasjenige ins Herz, was ich seit vielen Jahren suchte, oder vielmehr sie bewirkten, daß ich dasjenige sah und erkannte, was darin war und was ich doch nicht genoß, weil ich es nicht erkannt hatte.

O mein Gott und Herr, du warst in meinem Herzen 
und fordertest nichts von mir als nur die schlichte Einkehr in mein Inneres, 
um deine Gegenwart empfinden zu können.
O unendliche Güte, du warst so nah, 
und ich lief hin und her, um dich zu suchen, 
und fand dich doch nicht! 
Mein Leben war voller Elend und Jammer, 
und meine Glückseligkeit war doch in mir...
O du alte und neue Schönheit, warum habe ich dich so spät erkannt? 
Ach, ich suchte dich, wo du nicht warst, und suchte dich da nicht, wo du warst. 
Das kam daher, weil ich die Worte der Schrift nicht verstand, wo du sagst: 
,Das Königreich Gottes ist nicht hier und da, 
das Königreich Gottes ist inwendig in euch' (Lk 17,21).

Ich schlief die ganze Nacht nicht, weil deine Liebe, o Gott, 
wie ein verzehrendes Feuer war, welches in meiner Seele 
einen solchen Brand entzündete, der alles in einem Augenblick zu verzehren schien. 
Ich war plötzlich so verändert, daß ich mich selbst nicht mehr kannte."

Diese Wende in ihrem Leben war auch der Beginn eines streng asketischen Lebens, das zum Teil mit ungewöhnlicher Härte verbunden war.


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