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Dienstag, 28. Juni 2016

Deine Gnade befreit uns!

O Herr! Deine Gnade befreit uns! Der Prophet hat gesagt: Du bist meine Hoffnung [Ps 70(71),5], und das hat er nicht ohne Grund gesagt, denn du bist auch seine Geduld. Uns aber treiben der Leib des Todes, die Fesselung der Seele durch das Gesetz der Sünde, die Welt, die im Machtbereich des Teufels liegt [1 Joh 5,19], und all das Böse dieses Lebens zu dir, dem höchsten Gut, in dem kein Böses ist. Und auch du versprichst uns dich selbst, aber wann wir dich haben werden, sagst du uns nicht. Du erschaffst das Böse, das uns hier bedrängt, du machst die Zeit des Hoffens lang und quälst damit die Unglücklichen. 

Und wenn wir bei dem allem sagen Ach, ich unglücklicher Mensch, wer befreit mich bloß vom Leib dieses Todes?, dann antwortet uns deine Gnade: Ich. Wenn wir fragen, wann das sein wird, wirft man uns Ungeduld vor; wenn wir uns darüber hinaus etwas vorstellen wollen, dann sind wir mutlos, weil wir deinen Plan nicht kennen. Daher werden die, die im Gebiet deiner Gnade wohnen, durch deine Zeichen verwirrt. Denn sie freuen sich über alle Maßen darauf, durch das, was aus deiner Gnade kommt, dort zu sein, wo es keinen Morgen und keinen Abend mehr gibt und sie nichts anderes mehr fürchten müssen, als dass sie in ihrem Bemühen um weitere Fortschritte nachlassen, wo es für sie doch nur die Vollkommenheit gibt, in der du alles in allem sein wirst. Herr, gib ihnen Frieden und für die Zwischenzeit Geduld [interim patientiam].

Wilhelm von St. Thierry


 

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