Die (lateinische)
Gregorianik sei nicht eine nebensächliche Verpackung für Texte, auf deren
Aussage es eigentlich ankomme und die es Wort für Wort zu verstehen gelte. Der
Gesang dieser 1500 Jahre alten Form der Liturgie setze dem Ergreifen- und
Begreifenwollen eine Grenze. Die Welt des Verstandes ist eine, aber nicht die
einzige Welt.
Der heilige Augustinus
wird als Zeuge dafür zitiert, dass der Gesang, nicht der verstandene Text, Ort
der Offenbarung sein kann: „Wie weinte ich bei den Hymnen und Gesängen auf
Dich, heftig bewegt vom Klang der liebenswürdig-süßen Töne Deiner Kirche! Jener
Klang drang an mein Ohr, und die Wahrheit flößte sich ins Herz.“ (Confessiones
IX; 6, 14). Augustinus hat die Worte, da doch Latein seine Muttersprache war,
bestimmt verstanden, aber Gott wollte und konnte ihm auf andere Weise eine
eigene, die Sprache transzendierende Wahrheit vermitteln. Es war der
„liebenswürdig-süße Klang“, der die Wahrheit ins Herz strömen ließ.
Auch Papst Benedikt XVI.,
so heißt es im Brief nach Mariawald, habe zum 19. Kapitel der Benediktsregel
eine wichtige Bemerkung gemacht. In diesem 19. Kapitel ist vom Verhalten der
Mönche beim Chorgebet die Rede. Der Papst notiert in seinem Kommentar (den der
irische Mönch auf Englisch wiedergibt): Unsere Gedanken, unser Geist sollten
sich dem Klang des Gesangs, dem „sound“, anpassen und nicht sollte umgekehrt
der „sound“ vom Denken geleitet werden. Primär leitet hiernach also nicht das
verstanden Wort zur Begegnung mit Gott. Ein Verstehen, wenn überhaupt, folge
möglicherweise erst später.
Als weiteren Zeugen für
die außerordentliche Bedeutung der Gregorianik führt der irische Mönch den 17.
der „Geistlichen Briefe“ von Dom John Chapman OSB an. In ihm wird der
Zusammenhang zwischen dem musikalischen Gestus des lateinischen Psalmengesangs
und dem kontemplativen Sänger und Beter so charakterisiert, dass auf
assoziativem Wege von diesem Klang her eine Einsicht in den sonst verborgenen
Willen Gottes entstehe. Die Tatsache, dass die Schwierigkeit der Psalmen, die
keineswegs nur durch die lateinische Sprache gegeben ist, den Nachvollzug der
Texte mehr oder weniger reduziere, bedeute aber keinen Mangel, sondern lasse
Platz, dass Gott mit dem Beter auf eigene Weise rede. Indem nämlich so „das
Herz zum Herzen“ (Augustinus) sprechen könne, entstehe durch die Möglichkeit
der „Aneignung der objektiven Wahrheit“ (Chapman) ein tieferer Glaube. Im Gegensatz
dazu lasse eine muttersprachliche und den gregorianischen Duktus zwangsweise
verändernde Neufassung die Pflanze des Glaubens verkümmern, weil „der Sturzbach
der Bilder und Details“ Gott daran hindere, ein weiteres Wort mitzureden.
Die Prophezeiung des
Untergangs der meisten Orden, so schließt der Brief des irischen Mönchs,
scheint sich in höchst bedrohlicher Weise zu erfüllen. Möglicherweise aber sei
das eingesetzte Mittel, die Auslöschung zu verhindern, nämlich die fast totale
Einführung der Muttersprache in die Liturgie mitsamt der Vernachlässigung der
Gregorianik, eine wesentliche Ursache des Niedergangs, da, mit Augustinus zu
sprechen, der Wahrheit ein Weg versperrt wurde, machtvoll ins Herz zu fließen,
dorthin, wo cor ad cor loquitur, wo das Herz Gottes zum Herzen des Menschen
spricht – und umgekehrt.
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Ebenso die Heilige Wandlung:
AntwortenLöschenVerstehen wir das Geheimnis der Transsubstantiation besser, seit die Worte in der Muttersprache gesprochen werden?
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