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Sonntag, 6. Juli 2014

Gregorianik – Ein Brief nach Mariawald

Ein irischer Mönch schrieb im Februar 2014 einem Brief und schickte ihn (...) auch nach Mariawald. Gegen das verbreitete Plädoyer, man müsse, was man singt, auch verstehen und also am besten dazu die Muttersprache wählen, argumentiert der Mönch in überraschender Weise:

Die (lateinische) Gregorianik sei nicht eine nebensächliche Verpackung für Texte, auf deren Aussage es eigentlich ankomme und die es Wort für Wort zu verstehen gelte. Der Gesang dieser 1500 Jahre alten Form der Liturgie setze dem Ergreifen- und Begreifenwollen eine Grenze. Die Welt des Verstandes ist eine, aber nicht die einzige Welt.

Der heilige Augustinus wird als Zeuge dafür zitiert, dass der Gesang, nicht der verstandene Text, Ort der Offenbarung sein kann: „Wie weinte ich bei den Hymnen und Gesängen auf Dich, heftig bewegt vom Klang der liebenswürdig-süßen Töne Deiner Kirche! Jener Klang drang an mein Ohr, und die Wahrheit flößte sich ins Herz.“ (Confessiones IX; 6, 14). Augustinus hat die Worte, da doch Latein seine Muttersprache war, bestimmt verstanden, aber Gott wollte und konnte ihm auf andere Weise eine eigene, die Sprache transzendierende Wahrheit vermitteln. Es war der „liebenswürdig-süße Klang“, der die Wahrheit ins Herz strömen ließ.

Auch Papst Benedikt XVI., so heißt es im Brief nach Mariawald, habe zum 19. Kapitel der Benediktsregel eine wichtige Bemerkung gemacht. In diesem 19. Kapitel ist vom Verhalten der Mönche beim Chorgebet die Rede. Der Papst notiert in seinem Kommentar (den der irische Mönch auf Englisch wiedergibt): Unsere Gedanken, unser Geist sollten sich dem Klang des Gesangs, dem „sound“, anpassen und nicht sollte umgekehrt der „sound“ vom Denken geleitet werden. Primär leitet hiernach also nicht das verstanden Wort zur Begegnung mit Gott. Ein Verstehen, wenn überhaupt, folge möglicherweise erst später.

Als weiteren Zeugen für die außerordentliche Bedeutung der Gregorianik führt der irische Mönch den 17. der „Geistlichen Briefe“ von Dom John Chapman OSB an. In ihm wird der Zusammenhang zwischen dem musikalischen Gestus des lateinischen Psalmengesangs und dem kontemplativen Sänger und Beter so charakterisiert, dass auf assoziativem Wege von diesem Klang her eine Einsicht in den sonst verborgenen Willen Gottes entstehe. Die Tatsache, dass die Schwierigkeit der Psalmen, die keineswegs nur durch die lateinische Sprache gegeben ist, den Nachvollzug der Texte mehr oder weniger reduziere, bedeute aber keinen Mangel, sondern lasse Platz, dass Gott mit dem Beter auf eigene Weise rede. Indem nämlich so „das Herz zum Herzen“ (Augustinus) sprechen könne, entstehe durch die Möglichkeit der „Aneignung der objektiven Wahrheit“ (Chapman) ein tieferer Glaube. Im Gegensatz dazu lasse eine muttersprachliche und den gregorianischen Duktus zwangsweise verändernde Neufassung die Pflanze des Glaubens verkümmern, weil „der Sturzbach der Bilder und Details“ Gott daran hindere, ein weiteres Wort mitzureden.

Die Prophezeiung des Untergangs der meisten Orden, so schließt der Brief des irischen Mönchs, scheint sich in höchst bedrohlicher Weise zu erfüllen. Möglicherweise aber sei das eingesetzte Mittel, die Auslöschung zu verhindern, nämlich die fast totale Einführung der Muttersprache in die Liturgie mitsamt der Vernachlässigung der Gregorianik, eine wesentliche Ursache des Niedergangs, da, mit Augustinus zu sprechen, der Wahrheit ein Weg versperrt wurde, machtvoll ins Herz zu fließen, dorthin, wo cor ad cor loquitur, wo das Herz Gottes zum Herzen des Menschen spricht – und umgekehrt.

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1 Kommentar:

  1. Ebenso die Heilige Wandlung:
    Verstehen wir das Geheimnis der Transsubstantiation besser, seit die Worte in der Muttersprache gesprochen werden?
    Kaum ...

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