Eine Buchbesprechung
„Die Anfänger, die
Klosternovizen wurden in der Ausbildungsphase einer Leseschule
unterzogen: in einem eigenen Raum, abgetrennt von der Gemeinschaft.
Lesen bedeutete zunächst Vorlesen: Man hörte zu und lernte
Textabschnitte auswendig. Aber auch beim Lesen, das gegebenenfalls
gelernt werden musste, las jeder, auch wenn er allein war, hörbar den
Text.“
Dieser Textabschnitt des schönen EOS-Buches
„Freunde fürs Leben. Mönche und Bücher“ lässt uns sicher staunend
aufhorchen. Gelesen würde hörbar. Heute ist das ganz anders, oder, liebe
Leser, lesen sie diese Zeilen etwa für Jedermann hörbar? Ach, wie
würden wir uns doch gestört, ja belästigt fühlen, nicht wahr? Denken sie
doch an eine öffentliche Bibliothek oder einen Lesesaal; wenn alle laut
oder halblaut vor sich hin-lesen würden, lesen es wäre unerträglich.
Wir könnten uns nicht konzentrieren.
„Freunde fürs
Leben“ ist der Buchtitel. Damit sind ein gutes Buch oder viele gute
Bücher gemeint. Ihnen schenken wir Zeit, ihnen hören wir zu, indem wir
sie hörbar lesen könnten. Nein, wir hören die Bücher nicht, die wir
lesen. Zwar gibt es heute auch Hörbücher, denen man zu-hören kann. Doch
was wir meist hören ist etwas anderes, ist Alltag, ist dasjenige, was
wir nicht zu hören bräuchten, was wir auch garnicht hören wollen. Wir
hören die Gespräche der Menschen, die sie – nein, nicht miteinander,
sondern meist übereinander führen, indem sie sich nicht sehen, nicht
zu-ein-ander sprechen und nicht mit-ein-ander. Somit ist der Sinn dieser
Gespräche wiederum ein anderer als jener mit einem Buch, wobei es um
das Verstehen, das Wissen-warum geht. Allerorten bestimmen die Anrufe
mit einem Mobiltelefon den Alltag und das Privatleben. Erreichbar sein,
alles mitkriegen und nur nichts verpassen. Von hören keine Spur. Hören
hat mit wahr-nehmen und mit an-sprechen zu tun. Finden wir dies in
unserer heutigen Kultur?
In unserem Buch finden wir
nicht nur schöne Bilder, die wir an - schauen können, betrachten; worüber
wir nichts sagen müssen. Wir können schweigen, auch genießen, sogar
dabei etwas finden und lernen. Begleitende Texte führen hin zum Buch,
zu den Büchern, die sogar sichtbar, spürbar, riechbar sind. Ein
Geschenkbuch für jeden Bücherfreund, das es lohnt, auch sich selbst zu
schenken.
Marcel Albert & Jörg Schellschmidt
Freunde fürs Leben. Mönche und Bücher
EOS-Verlag 2016
72 Seiten, 9,95 EUR
ISBN 978-3-8306-7763-5
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen