Wilhelm von Saint-Thierry - Kommentar zum Römerbrief
(Übersetzung und Kommentar von Klaus Berger & Christiane
Nord)
Der ehemalige Heidelberger Exeget Klaus Berger nennt Wilhelm
von Saint-Thierry’s Römer-Kommentar das umfangreichste und theologisch
wichtigste Zeugnis der Paulus-Exegese des Mittelalters. Dabei sei Wilhelms „Methode
nicht philologisch im Sinne der Exegese“; dafür aber „durchgehend meditativ“,
also verwand mit dem Gebet. Somit ist diese Schrift des Abtes Wilhelm ausgesprochen
nahe am wirklichen Leben angesiedelt.
Der spätere Abt der Benediktinerabtei Saint-Thierry
(1075/1080-1148) lernte als Mönch der Benediktinerabtei Saint-Nicaise, in der
er Mönch wurde, bei einem Aufenthalt in Clairvaux, wohin er sich zur Genesung
nach einer Krankheit zurückzog, Abt Bernhard kennen, mit dem er geistlichen
Gesprächen führte. Beide verband eine tiefe geistliche Freundschaft. Wilhelm
regte Bernhard zur Abfassung der Apologia an, in der Bernhard die
zisterziensischen Reformen gegenüber Cluny verteidigt und Missstände in Cluny
anprangert. Die Apologia Bernhards, mit der er eine monastische Reform
innerhalb der Cluniazensischen Kongregation (zu der auch St. Thierry gehörte) fördern
wollte, ist Wilhelm, dem Abt von Saint-Thierry, gewidmet. Nach seiner Rückkehr
nach Saint-Thierry bat Wilhelm den Zisterzienserabt Bernhard, ihm einen
Übertritt nach Clairvaux zu ermöglichen. Doch Bernhard lehnte ab und ermahnte
Wilhelm, er müsse seine Aufgaben als Abt von Saint-Thierry erfüllen. Erst im
vorgerückten Alter (Wilhelm war etwa 60 Jahre) erlaubte ihm 1135 der Erzbischof
von Reims, als Abt von Saint-Thierry zu resignieren und sich als einfacher
Zisterziensermönch in die Zisterzienserabtei Signy in den französischen
Ardennen zurückzuziehen. Wilhelm von Saint-Thierry starb 1148 in Signy, wo er
auch begraben wurde. Er wird im Zisterzienserorden als Seliger verehrt.
Neben dem hier vorgestellten „Kommentar zum Römerbrief“ sei
auf ein anderes wichtige Werk Wilhelms hingewiesen. Dabei handelt es sich um
eine „Synthese des Denkens“ (Benedikt XVI.) Wilhelms von Saint-Thierry’s. Im
Stile eines langen Briefes, - „Epistula aurea“ (Goldener Brief) - den er,
ergriffen von einem vorangegangenen Besuch in deren Kloster, an die Kartäuser
von Mont-Dieu schreibt, erläutert er den Weg des geistlichen Lebens, in dem er
ihnen Ermutigung und Trost zuspricht.
Die oben ausgesprochene Behauptung, die Schrift des Abtes
Wilhelm sei nahe am wirklichen Leben angesiedelt, soll an einem kurzen Beispiel
gezeigt werden.
Gerade in diesen Tagen wurde es bekannt: Erzbischof Arrigo Miglio von Cagliari auf Sardinien verbietet
einem Priester seiner Erzdiözese, Massimliano Pusceddu, zu predigen und jede damit
zusammen hängende öffentliche Stellungnahme.
Was war geschehen? Don Massimliano Pusceddu hatte sich
schuldig gemacht, in einer Predigt am 28. Mai im Zusammenhang mit der vom
Italienischen Parlament genehmigten „Homo-Ehe“ den Apostel Paulus zu zitieren.
Dabei ging es dem Priester bei seiner Predigt alleine um die Bedeutung und die
Schönheit der Familie. Dieser würde durch die Legalisierung der „Homo-Ehe“
Schaden zugefügt. Um dies zu untermauern zitierte er, damit die
Widernatürlichkeit der Homosexualität aufgezeigt würde, den Apostel Paulus mit
einem Wort aus dem Römerbrief: „Wer so etwas tut hat den Tod verdient“ (Röm 1,
32). Diese klare Ansage war dem vorgesetzten Erzbischof zu viel. Einvernehmlich
mit den Angriffen der Medien (auch der deutschen), und dem Denken von Papst
Franziskus und weiten Teilen der Kirche, also dem Mainstream, entband er den Priester von seinem
Auftrag zu predigen und entzog ihm damit die Zuständigkeit für die Auslegung von
Gottes Wort.
Dabei sprach der Priester aus Sardinien lediglich
apostolische Worte aus, die schon Wilhelm von Thierry ganz im Sinne der Lehre
der Kirche deutete.
Wilhelm schreibt:
Wilhelm schreibt:
[Der Apostel (Paulus) in Röm 1,32]:
WER SO ETWAS TUT, HAT DEN TOD VERDIENT.
Wer es tut, sagt er, nicht: wer es getan hat. Denn wer es
getan hat, aber damit aufhört und Buße tut, hat das Leben verdient. Es ist
auffällig, dass die Hochmütigen in der ersten und der zweiten Phase derart
bestraft werden, dass sie, wenn sie es bemerken würden, schon keinen Grund zum
Hochmut mehr hätten. In der dritten Phase sind sie dann jedoch derart mit
Dummheit geschlagen, dass sie umso hochmütiger werden, je weniger Grund zum
Hochmut sie haben. Denn Dummheit und Hochmut sind unzertrennliche Schwestern
[sorores individuae] - allerdings ist Dummheit leichter erträglich, wenn sie
ohne Hochmut daher kommt. Hochmut aber gibt es niemals ohne Dummheit.
OBWOHL SIE EINE AHNUNG VON GOTTES GERECHTHEIT HATTEN,
BEGRIFFEN SIE NICHT, DASS DIE, DIE SO ETWAS TUN, DEN TOD VERDIENT HABEN.
Sie hatten Zwar Augen, also konnten sie sehen. Aber das
Licht ging ihnen nicht auf, daher begriffen sie nicht. Sie besaßen von Gott her
einen natürlichen Verstand, aber weil sie sich so viel darauf einbildeten,
dachten sie nicht daran, um die Hilfe der Gnade zu bitten. Deshalb konnten sie
nicht einsehen, was sie unbedingt hätten einsehen müssen.
NICHT NUR DIE, DIE SO ETWAS TUN, SONDERN AUCH DIE, DIE ES
BILLIGEN.
Wenn man das Tun eines Sünders billigt, heißt das, dass man
über den Beweggrund für die Sünde genauso denkt wie er. Billigen heißt aber
auch, die Sünde zu begünstigen, indem man schweigt, obwohl man doch dem anderen
seine Schuld vor Augen führen könnte.
Wilhelm von Saint-Thierry
Kommentar zum Römerbrief
(Übersetzung und Kommentar von Klaus Berger & Christiane
Nord)
Patrimonium-Verlag 2012
ISBN: 978-3864170072
244 Seiten - 27,00 €
siehe Chur...
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