«Bei seinen Forschungen zur Apokalypse des Johannes hat der
Heidelberger Neutestamentler Klaus Berger eine Aufsehen erregende Entdeckung
gemacht. Bei Amalar (775 – 850), dem karolingischen Chef-Liturgiker, Bischof
von Metz und Erzbischof von Trier, der 844 von Papst Sergius II. zum Kardinal
erhoben wurde und als Wegbereiter einer einheitlichen lateinischen Liturgie
nach römischen Ritus gilt, hat er gefunden, dass die liturgisch
vorgeschriebenen Altartücher von Anfang an als direkte Entsprechung zu den
Tüchern galten, die in den Evangelien im Zusammenhang mit der Passion und
Auferstehung Jesu Christi erwähnt werden:
Sie heißen in den lateinischen liturgischen Texten sindon (Leichentuch)
oder sudarium (Schweißtuch).
Insbesondere das Einwickeln des Kelches in das Tuch durch
den Diakon (in einem Seitenzweig der
westlichen Liturgie) steht für das Einwickeln Jesu in seine Grabtücher. Wörtlich: Diaconus … involvit cum
sudario calicem, quoniam Ioseph involvit in sindone munda. corporale…ipsum
linteum quo totum corpus domini tegebatur in sepulchro. (Der Diakon
umhüllt mit dem Schweißtuch den Kelch. Denn Josef von Arimathia wickelte Jesus
in ein reines Leinentuch.)
Und dies alles wohlgemerkt schon in karolingischer Zeit,
also weit über vier Jahrhunderte, bevor in Europa das Sanctissimum Sudarium von
Sankt Peter in Rom erstmals im Jahr 1208 unter Papst Innozenz III. in die Öffentlichkeit getragen und bevor im
Jahr 1355 die Santa Sindone in Lirey in der Champagne überhaupt erstmals
auftauchte und verehrt wurde! Von hier
her wird auch verständlich, dass die Altartücher bis zur Liturgiereform von
1969 in Entsprechung zum Grabtuch aus „reinem Leinen“ sein mussten, und dass
das so genannte Corporale immer
besonders gefaltet sein musste, in
Entsprechung zum Sudarium, von dem es bei Johannes heißt, dass es nach
der Auferstehung Christi „gefaltet und abseits der anderen Tücher“ im leeren
Grab von Petrus und Johannes aufgefunden wurde. Es ist jenes gestärkte
Tüchlein, das vom Priester im alten Ritus jeweils nur noch ehrfurchtsvoll mit
Daumen und Zeigefinger angefasst werden durfte, nachdem es auf dem Altar mit
den konsekrierten Gestalten von Brot und Wein in Berührung gekommen war.»
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