Der heilige Grignion von Montfort benennt die Eigenschaften der
wahren Andacht zu Maria:
1. - Die wahre Andacht zur allerseligsten Jungfrau soll
innerlich sein, d.h. sie muss aus dem Geiste und aus dem Herzen kommen. Sie
soll der Hochachtung entspringen, die man gegen die allerseligste Jungfrau
hegt, der hohen Anschauung entsprechen, die man sich von ihrer Größe gebildet
hat und von der Liebe getragen sein, die man ihr entgegenbringt.
2. - Die wahre Andacht ist zart, das heißt, sie ist beseelt
von dem größten Vertrauen zur allerseligsten Jungfrau, die man in allem als
seine gute Mutter betrachtet. Die wahre Andacht bewirkt, daß eine Seele in all
ihren leiblichen und geistigen Nöten mit Einfalt, Zärtlichkeit und kindlichem
Vertrauen zu Maria ihre Zuflucht nimmt und den Beistand dieser guten Mutter zu
jeder Zeit, an allen Orten und in allen Anliegen erfleht: in ihren Verirrungen,
um wieder auf den rechten Weg zu gelangen; in ihren Versuchungen, um standhaft
zu bleiben; in ihren Schwachheiten, um gestärkt zu werden; bei ihren Sünden, um
sich wieder zu erheben; bei ihren Enttäuschungen, um wieder Mut zu gewinnen; in
ihren Gewissensängsten, um davon befreit zu werden; in ihren Kreuzen, Arbeiten
und Widerwärtigkeiten des Lebens, um Trost zu erhalten. Mit einem Wort, in
allen Übeln des Leibes und der Seele ist Maria die Zuflucht ihres wahren
Verehrers, ohne daß er zu fürchten braucht, diese gute Mutter zu belästigen
oder dem Heiland zu mißfallen.
3. - Die wahre Andacht zur allerseligsten Jungfrau ist
weiterhin heilig, das heißt, sie treibt die Seele an, die Sünde zu meiden und
die Tugenden der allerseligsten Jungfrau nachzuahmen, besonders ihre tiefe
Demut, ihren lebendigen Glauben, ihren blinden Gehorsam, ihr beständiges Gebet,
ihre vollkommene Abtötung, ihre unvergleichliche Reinheit, ihre glühende Liebe,
ihre heldenhafte Geduld, ihre engelgleiche Sanftmut und ihre göttliche
Weisheit. Das sind die zehn vorzüglichsten Tugenden Mariä.
4. - Die wahre Andacht ist auch beharrlich. Sie befestigt
die Seele im Guten und treibt sie an, nicht leicht ihre Andachtsübungen
aufzugeben, sie verleiht ihr Mut, sich der Welt mit ihren Moden und
Grundsätzen, dem Fleische mit seinen Launen und Leidenschaften, dem Teufel mit
seinen Versuchungen zu widersetzen. Die wahre Andacht zur allerseligsten
Jungfrau bewahrt somit vor Veränderlichkeit, Verdrossenheit, Gewissenspein und
Ängstlichkeit. Damit ist nicht gesagt, daß eine solche Seele nicht fallen könne
und im Gefühl der Andacht nicht manchmal dem Wechsel unterworfen sei. Aber wenn
sie fällt, erhebt sie sich alsbald wieder, indem sie die Hand nach ihrer guten
Mutter ausstreckt; und wenn sie den Geschmack und das Gefühl der Andacht
verliert, ist sie darüber keineswegs in Unruhe. Denn der Gerechte und der treue
Verehrer Maria lebt aus dem Glauben an Jesus und Maria und nicht aus den
unbeständigen Gefühlen des Leibes und der Seele.
5. Endlich ist die wahre Andacht zur allerseligsten Jungfrau uneigennützig, das heißt, sie treibt die Seele an, sich nicht selbst, sondern in und durch Maria Gott allein zu suchen. Ein wahrer Verehrer Maria dient dieser hehren Königin nicht aus Gewinn- und Selbstsucht, nicht wegen zeitlichen oder ewigen Nutzens, nicht wegen körperlicher oder geistiger Güter, sondern einzig und allein, weil sie es verdient, daß man ihr diene und Gott in ihr. Er liebt Maria nicht, weil sie ihm Gutes erweist oder er es von ihr hofft, sondern weil sie so liebenswürdig ist. Deshalb liebt er sie und dient er ihr mit gleicher Treue in Trostlosigkeit und Trockenheit, wie zur Zeit innerer Tröstungen und fühlbarer Andacht; er liebt sie ebenso auf dem Kalvarienberge wie auf der Hochzeit zu Kana. Wie angenehm und wertvoll ist in den Augen Gottes und seiner heiligen Mutter ein solcher Verehrer Maria, der in keiner Weise sich selbst sucht! Allein wie selten ist ein solcher heutzutage zu finden! Deswegen habe ich ja gerade die Feder ergriffen, um solche Verehrer zu erwecken und hier das niederzuschreiben, was ich bei meinen Missionen so viele Jahre hindurch öffentlich und einzeln mit Erfolg gelehrt habe.
(Quelle Kirchliche Umschau, April 2016)
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