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Mittwoch, 22. Juni 2016

Trappisten verlassen das Kloster N.-D. de Melleray - Die Abtei wird geschlossen.

Dom Gérard Meneust, seit 1995 Abt von „Abbaye N.-D. de Melleray“, nördlich der westfranzösischen Stadt Nantes in der Bretagne gelegen, wird der letzte Trappistenabt dieses Klosters sein, das eine große Vergangenheit aufzuweisen hat (seit 1134). Dass der Grund dafür am nicht vorhandenen „Nachwuchs“ liegt, braucht nicht eigens zu erörtert werden. Geradezu berühmt wurde „N.-D. de Melleray“, die „Nr. 04“ in der Reihe der über 100 männlichen Trappistenklöster, durch die Gründung des amerikanischen Trappistenklosters „Gethsemani“ (Kentucky ) in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Diesem Ereignis widmete der US-amerikanische Trappist der „Abbey of Gethsemani“, Pater M. Raymond OCSO, einen Abschnitt seines Buches über die Geschichte seines Klosters, das zum Anlass des 100 jährigen Bestehens erschienen ist.

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Mai 1848

Dom Maxim, dem Abt von Melleray hatte Monatelang gebetet und überlegt. Er erkannte, daß sein Kloster beängstigend überfüllt war. Weder in der Kirche noch im Refektorium, noch im Schlafsaal war Platz genug. Auch der kleinste Winkel wurde ausgenutzt. Die Mönche schliefen in Räumen, denen man den Namen ‚Hühnerkörbe‘ gegeben hatte, und sogar in Wagenschuppen. Und noch immer kamen Postulanten. Er wollte keinem den Eintritt verwehren, der glaubte, den Ruf Christi gehört zu haben. Das Kloster, das für hundertfünfzig Insassen gebaut war, beherbergte mehr als zweihundert. Natürlich hätte man auf dem weitläufigen Gelände der Abtei Notunterkünfte schaffen können, doch der Abt hielt es für richtiger, sowohl im Interesse des einzelnen als auch des ganzen Ordens, eine Neugründung vorzunehmen.

Er traf die Entscheidung, wohl wissend, daß nicht nur die, welche gingen, Opfer zu bringen hatten, sondern auch die Zurückbleibenden. Männer, die für Melleray wertvoll waren, gingen dem Hause verloren. Ja, jeder Gewinn für die Neue Welt war ein spürbarer Verlust für die Alte. Die Gründung würde teuer zu stehen kommen. Als der Abt im Mai 1848 den Grund zu dem Unternehmen legte, bedeutete das schmerzliche Opfer für ihn selbst und das Mutterhaus: Er schickte P. Paulinus, seinen Prior und vertrauten Ratgeber, mit P. Paul nach Amerika; dort sollten sie einen geeigneten Platz für ein Trappistenkloster aussuchen. So hatte er selbst das Beispiel gegeben; und nun hieß es für ihn, eher Freiwilligen die Erlaubnis zu gehen verweigern als Kraft des Gehorsams irgend jemanden verpflichten.

Dom Maxim stellte die Gruppe der Auswanderer zusammen. Die Liste las er am 23. Oktober im Kapitel vor. Sie enthielt manche Überraschung und sprach von ungewöhnlicher Großmut.

Frühling in N.-D. de Melleray
Der erste Name auf der Liste war der des P. Eutropius, den er, zum Prior von Melleray gemacht hatte. Das war für viele eine Überraschung, denn P. Eutropius war ein verhältnismäßig junger Trappist, er hatte erst vor zwei Jahren die Gelübde abgelegt. Seine Ernennung war ein Beweis für Dom Maxims große Selbstlosigkeit, denn seit Eutropius sein Amt angetreten hatte, zeigte er ungewöhnlichen Unternehmungsgeist, Leistungsfähigkeit und die seltene Gabe, mit Menschen umzugehen. Er würde wohl Dom Maxims rechte Hand geworden sein, wenn er in Melleray geblieben wäre. - P. Paulinus, der schon in Kentucky war, wo er den Platz für das Kloster aussuchte, sollte bleiben; nicht nur um die Pioniere zu empfangen, sondern als zweiter Oberer der neuen Kommunität.

Die ganze Liste war voll Überraschungen. - 17 Chormönche, von denen 14 bereits die Gelübde abgelegt haben und 3 noch Novizen sind, bilden einen Teil der Kommunität: die Patres Eutropius, Paulinus, Euthymius, Benezet, Robert, Johannes Chrysostomus, Emmanuel, Hieronymus, Timotheus, Dorotheus, Eduard, Ephrem, Michael und Adrian, sowie die Novizen Philemon, Augustin und Benedikt.
Dazu 23 Laienbrüder: 19 Professen: Leo, Medardus, Jakobus, Karl, Hilarion, Amedeus, Thomas, Augustin, Theodoret, David, Saturninus, Matthäus, Isaac, Philibert, Antoninus, Julius, Eugen, Elias und Hieronymus; ein Novize: Orsise; der Oblate Lazarus; die Postulanten Ferdinand und Isidor. Drei Familiare sollten die Kommunität vervollständigen: Julian, Bedoue und Huig.

Die Mönche waren erstaunt, als sie sahen, daß sich weißhaarige und gebeugte Männer in dieser Gruppe von Pionieren befanden. Verlangte nicht die Gründung eines Klosters die Begeisterung und Kraft der Jugend? Was tat dann P. Benezet, ein Chormönch, mit seinen siebzig Jahren dabei? Er sollte sich lieber auf die Reise in die Ewigkeit vorbereiten als auf die Fahrt in die Neue Welt! Und was sollte Isaac, der 67jährige Laienbruder? Eignete er sich für ein Land, das die Indianer, das dunkle und blutige genannt hatten und das andere als das unberührte bezeichneten? Die ersten drei der genannten Laienbrüder und auch der einzige Oblate waren alle an die sechzig. Wie konnte man sich so viele bejahrte Männer in einer Gruppe erklären, die von jugendlichem Tatendrang erfüllt sein sollte? Die Antwort ist nicht in der Tatsache zu suchen, daß die meisten Trappisten ein biblisches Alter erreichen und manche sogar ein höheres, sondern in der tieferen Erkenntnis, daß St. Benedikt seine Regel schrieb, als die römische Welt im Innern morsch war und die Barbaren von außen die Menschheit in einen dunklen Abgrund trieben, in dem sie 500 lange Jahre leben sollte.

Der hl. Benedikt hätte wohl kaum Dom Maxim getadelt, weil der 70jährige P. Benezet zu der gleichen Gruppe gehörte wie der 18jährige Bruder Antonius, noch auch wegen des anderen Extrems, daß Postulanten und Novizen mit Männern gingen, die vor ihrem goldenen Jubiläum standen. Eigentlich hatte ja der hl. Benedikt von Nursia diese anscheinend schlecht gewählte Kommunität zusammengestellt, als er verlangte, daß Benediktinerklöster weit von den Behausungen der Menschen entfernt und weitgehend unabhängig und selbstständig sein sollten, soweit das sterblichen Menschen möglich ist. Weil der Vater der westlichen Mönche Gottesstädte diesseits des Himmels bauen wollte, lagen die Benediktinerklöster in den abgelegensten Tälern, oder sie klammerten sich an unzugängliche Berghänge. Diese Städte mußten alles zum Leben Notwendige selbst haben, wie „Wasser, eine Mühle, einen Garten, eine Bäckerei und die verschiedenen Werkstätten, um zu verhindern, daß die Mönche ausgingen“, denn das ist, wie der hl. Benedikt am Schlüsse seiner Regel sagt, „keinesfalls förderlich für ihre Seelen“.

Dieses also sprach für die sorgfältige Auswahl der scheinbar so schlecht zusammengestellten Liste. Gethsemani mußte seinen Weber haben, um die Mönche zu kleiden, es brauchte einen Schmied, die Pferde zu beschlagen und die Wagenräder mit Reifen zu versehen. Es brauchte Steinmetzen, wenn es mit den Klosterbauten der Alten Welt wetteifern wollte. — Natürlich brauchte es auch einen Bäcker,  
einen Koch, einen Müller und einen Gärtner, wenn die Bewohner nicht verhungern wollten.

Dom Maxim suchte seine 43 Mönche mit Sorgfalt aus. Er sah einen geschickten Bienenzüchter und einen erfahrenen Landwirt vor, ferner drei starke Schmiede, einen tüchtigen Zimmermann, der wahre Wunderwerke in Holz schaffen konnte, einen Steinmetzen, einen Schreiner und einen Ingenieur. Er sorgte dafür, daß für die persönlichen Bedürfnisse der Mönche ein Weber, zwei Schuster, zwei Schneider, zwei Bäcker und zwei Sattler auf der Liste standen. Zuletzt ernannte er — er hätte es fast vergessen — einen Krankenwärter. Deshalb waren in der Gruppe der Pioniere gebeugte Rücken und graue Barte. Jugend hat Energie und Begeisterung, aber es fehlt ihr, was allein das Alter geben kann — die Erfahrung.

Winter in N.-D. de Melleray
Das alles war der leichtere Teil der Auswahl. Warum aber Dom Maxim das Haupt immer wieder im Gebete neigte, das war das lebendige Bewußtsein, daß die schwerste Aufgabe, die ihrer in der Neuen Welt wartete, nicht der Bau einer Gottesstadt im gerodeten Urwald war, sondern der Aufbau des mystischen Christus auf den Fundamenten des alten Adam, die Aufgabe, aus Männern, die in Sünde geboren und in Sünde gelebt hatten, Heilige zu formen. Deshalb gehörten der ursprünglichen Gruppe sieben Priester an. Brot und Wein mußten verwandelt werden, um das Verlangen nach Gott zu stillen, und durch die Gnade des Bußsakramentes mußten die Seelen mit Gottes Kraft gestärkt werden für den Kampf mit den Mächten der Finsternis.

Das letzte gab Dom Maxim am meisten zu denken. Er wußte, was den Pionieren not tat, waren nicht so sehr Beichtväter, die von der Sünde lossprachen, sondern Führer, die sie auf den umwölkten Berg Gottes leiten konnten. Wie gut wußte er, daß dieser Aufstieg oft durch die Dunkelheit führte, steile Felswände empor, um Felsblöcke herum, am Rande schwindelnder Schluchten entlang, wo ein falscher Tritt den Tod bedeutete; da gibt es todbringende Gletscherspalten, von täuschendem Schnee bedeckt, und Nebenwege, die in die Irre führen, die auch die bedächtigsten Kletterer verlocken. Er wollte Gethsemani seine geschicktesten Führer geben, denn für die Seelen dieser Pioniere hatte Gott Fleisch angenommen, war der Gottmensch ins Grab gestiegen — sie waren unendlich kostbar, und eines Tages würde Dom Maxim ihrem Schöpfer, Erlöser und Heiligmacher Rechenschaft über sie ablegen müssen. Er mußte ihnen Führer geben, die fähig waren, das Abbild Gottes zu gestalten, das verborgen in jeder Menschenseele ruht …

(Ausschnitt aus: Fr. M. Raymond OCSO. Die weißen Mönche von Kentucky. Freiburg 1957)









1 Kommentar:

  1. Oh, nein! Das ist aber sehr Schade! Es ist so traurig wenn ein Kloster geschlossen wird. Ein zurücktreten des Christentums.

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