Sein „Komma“ und seine Bücher waren alles andere als dem
Zeitgeist verhaftet. Er stand auf dem Boden der katholischen Wahrheit und
versuchte diese in seinen Veröffentlichungen stets deutlich zu machen. Somit war
er gleichzeitig Kritiker unserer Gesellschaft und Politik, als auch der
verbürgerlichten Kirche. Er zeigte die Schwierigkeiten mit dem Islamismus auf,
als es in diesem Lande noch verpönt war, darauf hinzuweisen. Ebenso brachte er
auch gegenüber dem deutschen Amts- und Laienkatholizismus seine Meinung zum deutlich
zum Ausdruck.
Vor Weihnachten schrieb er:
Die deutsche Kirche, und nicht nur der böse
Zeitgeist oder die gerne zitierte von Gott aus Europa „abgezogene Gnade“, trägt
Mitschuld am unzweifelhaften Sterben der Volkskirche. Angemessene Kritik an
klerikaler Anbiederung und kirchlicher Lust an der Selbstzerfleischung gab es
genügend. Doch man lächelte nur mitleidsvoll über jene „Mahner“, während man
selbstverliebt den Mief aus den Kirchen ließ. Und endlich „neue Formen“ schuf –
die sich recht bald für viele Kirchbesucher als unerträglich entpuppten: Albernes
Gehabe, überzogenes „Einbringen“ der Laien und „Einbeziehen“ der Kinder sowie
stetes Wettern gegen Rom, gegen die Bischöfe und katholisches Glaubensgut,
miese Stimmung und Nörgeln „intro muros“ – all das hat viele Katholiken
verunsichert und verärgert.
Viele Menschen fühlten sich nicht mehr
ernstgenommen,wenn sie sonntags an den fröhlichen Gemeindetreffen teilnahmen,
bei denen vier Katechetinnen mit vielen bunten Zetteln um den Altar kreisten,
Pinnwände hin- und herschoben, der Priester irgendwo teilnahmslos dabei saß, um
später mit selbst kreiertem Ritus zu überraschen, man stets lächelnd sang, sich
dabei befreit an den Händen hielt und erlöst strahlte, wenn möglichst viele
Kleinkinder im Mittelgang tobten. Das war keine kernige Kirche mehr, die sie da
erlebten, sondern albernes und undiszipliniertes Getue so mancher Beseelter.
Wie sollten hier Ehrfurcht, Gottesgröße und Mysterium spürbar werden? Und für
welchen jungen Mann soll denn der Priesterberuf noch attraktiv sein angesichts
der Demokratisierung von Pfarrstrukturen und der Frauenpower in den
Pastoralteams, die den Geistlichen häufig zum Komparsen degradieren?
Dann jene relativistische Glaubenssicht,
die nur noch den frischen Quell, guten Hirten und die grüne Au kannte, und
nicht mehr genauso Gebote und Sünden, Tod und Teufel sowie das Drama des
einzelnen persönlichen Lebens. Diese systematische Verdrängung elementarer
Glaubenssubstanz hat vielen Gläubigen die Überzeugung genommen, der Glaube sei
existentiell und fundamental. So blieb man fortan sonntags lieber im Bett, wenn
die Sonntagsglocke läutete.
Auch das macht Mut: Hat Christus uns
„Friede-Freude- Eierkuchen“ und einen bequemen „deutschen
Verbandskatholizismus“ verheißen? Hat er uns bequem zu erreichende Gotteshäuser
gleich um die Ecke und prunkvolle Akademien und Tagungshäuser versprochen, in
denen man gespannt Vorträgen über „Psychische Nöte in der Midlife-Crisis“ oder
„buddhistische Momente im Schamanentum“ lauschen kann, Frauengruppen töpfern
und liturgisch tanzen dürfen? Sprach er von „flächendeckenden katholischen
Kitas“? Von einer Massenbegeisterung für IHN? Oder eher von Ärgernis und
Torheit, Leid und Unrecht?
Am Montagabend wurde in der Kirche St. Marien in Herzogenrath
ein „Requiem im außerordentlichen Ritus“ für den Verstorbenen gehalten. Dabei
wurde auch die Sequenz „Dies Irae“ gesungen, jener Gesang, der uns von Thomas
von Celano (ca 1190-1260) überliefert ist. Diese Sequenz war bis zur Reform der
Liturgie nach dem 2. Vatikanum jedem Katholiken bekannt. Kaum ein anderes Gebet
macht uns das Sterben deutlicher, erwägt die Hingabe der menschlichen Seele an
den Allerhöchsten und weißt uns hin auf das kommende Gericht:
Tag des Zornes, Tag der Sünden,
Wird das Weltall sich entzünden,
Wie Sibyll und David künden.
Welch ein Graus wird sein und Zagen,
Wenn der Richter kommt, mit Fragen
Streng zu prüfen alle Klagen!
Laut wird die Posaune klingen,
Durch der Erde Gräber dringen,
Alle hin zum Throne zwingen.
Schaudernd sehen Tod und Leben
Sich die Kreatur erheben,
Rechenschaft dem Herrn zu geben.
Und ein Buch wird aufgeschlagen,
Treu darin ist eingetragen
Jede Schuld aus Erdentagen.
Sitzt der Richter dann zu richten,
Wird sich das Verborgne lichten;
Nichts kann vor der Strafe flüchten.
Weh! Was werd ich Armer sagen?
Welchen Anwalt mir erfragen,
Wenn Gerechte selbst verzagen?
König schrecklicher Gewalten,
Frei ist Deiner Gnade Schalten:
Gnadenquell, lass Gnade walten!
Milder Jesus, wollst erwägen,
Dass Du kamest meinetwegen,
Schleudre mir nicht Fluch entgegen.
Bist mich suchend müd gegangen,
Mir zum Heil am Kreuz gehangen,
Mög dies Mühn zum Ziel gelangen.
Richter Du gerechter Rache,
Nachsicht üb in meiner Sache
Eh ich zum Gericht erwache.
Seufzen d steh ich schuldbefangen,
Schamrot glühen meine Wangen,
Lass mein Bitten Gnad erlangen.
Hast vergeben einst Marien,
Hast dem Schächer dann verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.
Wenig gilt vor Dir mein Flehen;
Doch aus Gnade lass geschehen,
Dass ich mög der Höll entgehen.
Bei den Schafen gib mir Weide,
Von der Böcke Schar mich scheide,
Stell mich auf die rechte Seite.
Wird die Hölle ohne Schonung
Den Verdammten zur Belohnung,
Ruf mich zu der Sel'gen Wohnung.
Schuldgebeugt zu Dir ich schreie,
Tief zerknirscht in Herzensreue,
Sel’ges Ende mir verleihe.
Tag der Tränen, Tag der Wehen,
Da vom Grabe wird erstehen
Zum Gericht der Mensch voll Sünden;
Lass ihn, Gott, Erbarmen finden.
Milder Jesus, Herrscher Du,
Schenk den Toten ew’ge Ruh. Amen.
Der Verstobene Michael Müller und alle Verstorbenen mögen
Ruhen in Frieden. Amen.
Und das ewige Licht leuchte ihnen. Amen
Ruhe in Gott, Michael Müller!
AntwortenLöschenDieser Bericht von ihm hat die Lage auf den Punkt gebracht.