Ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester Bonaventura zuliebe ließ sich Katharina ab dem Alter von
etwa 12 Jahren sehr elegant kleiden. Im August 1362 starb Bonaventura im
Wochenbett. Nach der Trauerzeit sollte Katharina bald verheiratet werden, doch
sie wehrte sich heftig. Tommaso, ein junger Dominikaner erkannte die
Entschlossenheit Katharinas zu einem gottgeweihten Leben und riet ihr, sich
einfach die Haare abzuschneiden. Katharina wurde in der Familie bestraft,
gehänselt und aus ihrem Zimmer vertrieben, wo sie viel Zeit allein mit Beten
verbracht hatte. Ihre Mutter hatte keinerlei Verständnis für sie und zwang sie
nun, fortan die Magd im Haus zu ersetzen. Da beschloss Katharina, in ihrem
Inneren gleichsam eine „kleine Klosterzelle“ einzurichten, in die sie sich
während der Arbeit mit Jesus zurückzog. Um ihre Andacht und ihren Gehorsam zu
steigern, stellte sie sich vor, ihre Mutter sei die heilige Gottesmutter, ihr
Vater Jesus, ihre Geschwister die Jünger Christi und die heiligen Frauen. So
konnte Katharina dank ihrer Vorstellungsgabe inmitten der Welt kontemplativ
leben; sie konnte in der Welt sein, ohne weltlich zu sein, und dem Alltagsleben
viele Gelegenheiten zur Begegnung mit Gott abgewinnen. Ihre Schüler lehrte sie
später: „Alle Werke, die wir für unseren Nächsten oder für uns selbst aus Liebe
tun, und mögen sie noch so äußerlich sein, sind ein Gebet, sofern sie in
heiliger Absicht verrichtet werden.“
Eines Tages erschien Katharina der heilige Dominikus im
Traum und überreichte ihr das Ordenskleid einer Dominikanerin. Angesichts ihrer
Entschlossenheit war ihr Vater schließlich doch damit einverstanden, dass sie
sich den Bußschwestern des heiligen Dominikus anschloss (die wegen ihres
schwarzen Umhangs – italienisch mantellata - Mantellaten genannt wurden); die
Gemeinschaft bestand im Wesentlichen aus Witwen, die sich karitativen Werken
widmeten und einmal wöchentlich zusammenkamen, um gemeinsam die Messe zu
besuchen und religiöse Unterweisung zu erhalten. Katharina wurde allerdings
zunächst einmal abgewiesen: Die Schwestern fanden sie zu jung, vielleicht auch
zu schwärmerisch. Aber schon bald konnte Katharina sie durch ihre mutige
Haltung während einer schweren Krankheit so beeindrucken, dass sie sie doch
aufnahmen: Sie wurde Ende 1364 eingekleidet.
Bereits während ihres Noviziats wurde der asketisch lebenden Katharina die Gnade von
Erscheinungen sowie von Gesprächen mit Jesus zuteil. Diese mystischen Gaben
waren mitunter von Momenten des Zweifels, der Angst und starker Versuchungen
begleitet. Nach einer solchen Versuchung wurde Katharina mit einer Erscheinung
des Herrn belohnt: „Gütiger und sanftmütiger Jesus“, sprach sie zu ihm. „Wo
warst du, als meine Seele von solchen Qualen gepeinigt wurde?“ – „Ich war in
deinem Herzen, Katharina, denn ich lasse diejenigen nie im Stich, die sich
nicht als Erste von mir abwenden, indem sie der Sünde huldigen.“ – „Wie? Du
warst in meinem Herzen, während es von den abscheulichsten Gedanken
überschwemmt wurde?“ – „Sag mal, Katharina, haben dir diese Gedanken Freude
oder Traurigkeit bereitet?“ – „Ach, Herr! Unbeschreibliche Traurigkeit und
unermesslichen Abscheu.“ – „Und was bewirkte deine Traurigkeit, wenn nicht
meine Gegenwart in deinem Herzen? Wenn ich nicht dagewesen wäre, wärst du den
Versuchungen erlegen: Ich habe bewirkt, dass du ihnen widerstehen konntest und
dass du traurig warst. Und ich habe mich gefreut über deine Treue während
dieses schmerzhaften Kampfes.“ In einem Brief zog Katharina folgende Lehre aus
diesem Erlebnis: „Gott lässt die Versuchung zu, damit unsere Tugenden sich
bewähren können ..., damit wir der Versuchung nicht erliegen, sondern sie
besiegen dank des Vertrauens auf die göttliche Hilfe, das uns mit dem heiligen
Apostel Paulus sagen lässt: Alles vermag ich im gekreuzigten Jesus, der in mir
ist, und der mich stärkt (vgl. Phil 4,13).“
1368 starb Katharinas Vater. Im gleichen Jahr hatte
Katharina eine Vision, die sich ihrem Herzen für immer einprägte. Sie wurde von
der Gottesmutter Jesus als Braut präsentiert, und er schenkte ihr einen
herrlichen Ring mit den Worten: „Ich, dein Schöpfer und dein Heiland, verlobe
mich mit dir in dem Glauben, den du immer rein erhalten sollst, bis du im
Himmel deine ewige Vermählung mit mir feierst.“ Katharina konnte den Ring an
ihrem Finger spüren und sehen, für andere blieb er unsichtbar. Von da an
widmete sie sich vermehrt den Armen und Kranken und vollbrachte wahre Wunder
für sie. Sie musste jedoch zugleich auch viel Spott und Verleumdung einstecken:
Man warf ihr unter anderem einen üblen Lebenswandel vor.
Katharina besaß die Gabe der Tränen. Diese brachten eine
tiefe Empfindsamkeit, eine große Emotions- und Liebesfähigkeit zum Ausdruck. „Denkt
an den gekreuzigten Christus“, schrieb Katharina in einem Brief. „Blickt auf
den gekreuzigten Christus, bergt euch in den Wunden des gekreuzigten Christus,
versenkt euch in das Blut des gekreuzigten Christus“.“
Katharinas Ruhm verbreitete sich, und sie entfaltete eine rege spirituelle Beratungstätigkeit für
Adlige und Politiker, Künstler und einfache Leute, geweihte Personen und
Kleriker. Es entstand eine Gruppe von Schülern um sie, die sie anhielt, sich
für das Heil ihres Nächsten einzusetzen. Diesen Einsatz nannte sie „die Lehre
Mariens“, denn, so erklärte sie, „als Mensch war der Gottessohn von dem Wunsch
getragen, zur Ehre seines Vater und für unser Heil zu wirken; und dieser Wunsch
war so mächtig, dass er in seinem Eifer Leid, Schmach und Schande bis hin zu
seinem elenden Kreuzestod auf sich nahm. Den gleichen Wunsch hegte auch Maria,
denn sie konnte nichts anderes wünschen als die Ehre Gottes und das Heil seiner
Geschöpfe.“ Als Katharina auch zu reisen begann, stieß ihre Rührigkeit sowohl
in Siena als auch beim Dominikanerorden auf Befremden, und sie musste 1374 vor
dem Generalkapitel der Dominikaner in Florenz erscheinen. Man wies ihr als
geistlichen Ratgeber den heute noch als Seligen verehrten künftigen
Generalmeister des Ordens, Raimund von Capua, zu, der nicht nur ihr
Beichtvater, sondern auch ihr geistlicher Ziehsohn wurde.
Zu Pfingsten 1375 empfing Katharina die Stigmata Christi:
Die Wundmale des Gekreuzigten an Händen, Füßen sowie an der Seite prägten sich
ihrem Körper unsichtbar ein, wie sie darum gebeten hatte. Geistliches Leben
bestand für sie in der Einheit mit Gott, der ein „Weg der Wahrheit“ sei; die
beste Führung auf diesem Weg biete die Passion Christi: Sie sei „allen Büchern
vorzuziehen“. Die Liebe wies Katharina den Weg in die Nachfolge Christi durch
ein Leben der Askese, der Buße und des Dienstes am Anderen.
Ab 1375 engagierte sich Katharina für die Rückkehr der Päpste aus Avignon (wo sie aus
politischen Gründen seit 1309 residierten) nach Rom sowie für die Einheit und
Unabhängigkeit der Kirche. „Die Kirche ist nichts anderes als Christus selbst“,
schrieb sie, sie vermittle die Liebe Gottes zu den Menschen; die hierarchisch
organisierte Kirche versehe ein unentbehrliches Amt für das Heil der Welt. Katharina
ging es nicht darum, die Strukturen der Kirche zu verändern, gegen Geistliche
zu rebellieren oder im Bereich des Kultus sowie der Disziplin Neuerungen
einzuführen, sondern darum, der Braut Christi ihre ursprüngliche Berufung
wiederzugeben. Denn „obwohl die Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes die
treue Braut des Herrn geblieben ist und niemals aufgehört hat, das Zeichen des
Heils in der Welt zu sein, so weiß sie doch klar, dass unter ihren Gliedern, ob
Klerikern oder Laien, im Lauf so vieler Jahrhunderte immer auch Untreue gegen
den Geist Gottes sich fand.
Katharina liebt die Kirche, wie sie ist, nicht wegen der
menschlichen Verdienste derer, die ihr angehören oder die sie repräsentieren.
Bedenkt man die Bedingungen, unter denen die Kirche damals existierte, so
erkennt man, dass ihre Liebe anders motiviert war ... Die heilige Katharina
schwieg nicht zu den Verfehlungen der Kirchenleute; indem sie ihre Stimme gegen
die Dekadenz erhob, betrachtete sie diese sogar als einen zusätzlichen Grund,
als eine Notwendigkeit, noch mehr zu lieben. - Die Erneuerung der Kirche betraf
zunächst die Kleriker, von denen
Katharina eine hohe Meinung hatte. In ihrem Dialog über die göttliche Vorsehung
lässt sie Gott sagen: „Ich wählte meine Diener zu eurem Heil aus, damit sie das
Blut des einzigen, demütigen und unbefleckten Lammes, meines Sohnes, an euch
weitergeben.“
Katharina setzte sich aber auch für eine Umkehr der Laien
ein. An einen Mann, der fleischlichen Leidenschaften verfallen war, schrieb
sie: „Geliebter Bruder, dämmere nicht länger in der Todsünde dahin! Ich sage
dir: Die Axt rührt bereits an die Wurzel des Baumes. Nimm die Schaufel der
Gottesfurcht und lass die Hand der Liebe sie führen. Leg die Verdorbenheit
deiner Seele und deines Leibes ab. Sei nicht dein eigener Henker, indem du dir
das sanfte Haupt, Jesus Christus, abschlägst! Mach Schluss mit deinen
Ausschweifungen. Ich habe es dir gesagt und wiederhole es: Gott wird dich
bestrafen, wenn du dich nicht besserst; aber ich verspreche dir auch: Wenn du
umkehren und die Zeit, die dir noch bleibt, nutzen willst, wird Gott so gütig,
so barmherzig sein, dass er dir vergeben, dich in seine Arme schließen, dich am
Blut des Lammes teilhaben lassen wird, das mit so viel Liebe vergossen wurde,
dass es keinen Sünder gibt, dem keine Barmherzigkeit zuteil werden kann; denn
die Barmherzigkeit Gottes ist größer als unsere Sorgen, sobald wir nur unser
Leben ändern wollen.“
Die heilige Katharina wusste, dass der Weg zur Heiligung
über die Sakramente der Buße und der Eucharistie führt; an einen Schüler
schrieb sie einmal: „Ihr müsst eure Seele oft vom Schmutz der Sünde reinigen
durch eine gute und heilige Beichte und sie mit dem Brot der Engel nähren, das
heißt mit dem süßen Sakrament des Leibes und des Blutes Jesu Christi, der Gott
und Mensch zugleich war.“ Sie ließ unter ihren Schülern die selten gewordene
Gewohnheit der häufigen Kommunion wiederaufleben; die beste Vorbereitung auf
die sakramentale Kommunion war ihrer Ansicht nach die spirituelle Kommunion:
Diese bestehe darin, die Eucharistie mit echtem, innigem Verlangen zu
empfangen; dieses Verlangen müsse nicht nur im Moment der Kommunion, sondern zu
jeder Zeit und an jedem Ort vorliegen.
Auf Bitten der Stadtoberen von Florenz brach Katharina im
April 1376 nach Avignon auf, wo sie den Papst traf. Sie bat ihn um dreierlei:
nach Rom zu fahren, einen großen Kreuzzug zu unternehmen und schließlich gegen
Laster und Sünde inmitten der Kirche vorzugehen. In der Stadt Avignon wurde
Katharina wegen ihres wachsenden Einflusses auf den Papst, aber auch wegen
ihrer - mitunter in aller Öffentlichkeit stattfindenden - Ekstasen mit einigem
Misstrauen beobachtet. Der Papst ließ sie insgeheim überwachen, doch man konnte
ihr letztlich nichts vorwerfen.
Der kränkliche französische Papst Gregor XI. verließ Avignon am 13. September 1376 in Richtung
Italien, wo gerade heftige Unruhen tobten, und traf am 16. Januar 1377 in Rom
ein. Katharina fuhr zunächst nach Siena, dann im Auftrag des Papstes in die
immer noch gegen das Papsttum rebellierende Stadt Florenz, die sie unter
Hinweis auf den „gekreuzigten Christus und die sanfte Maria“ zu besänftigen
suchte. 1378 hatte sie mehrere Ekstasen, die sie in ihren von fünf Schreibern
aufgezeichneten Dialogen verarbeitete.
Am 27. März 1378 starb Papst Gregor XI. Bald darauf wurde
Urban VI. zu seinem Nachfolger gewählt. Doch die - vor allem französischen -
Kardinäle, die mit dem autoritären Stil des neuen Pontifex unzufrieden waren,
hielten am 18. September 1378 eine Versammlung in Fondi ab und wählten
ihrerseits Kardinal Robert von Genf zum Gegenpapst Clemens VII. Ein
schwerwiegender Akt für Katharina, denn er führte zu einem (vierzig Jahre
währenden) Schisma. Sie verließ Siena und kam am 28. November 1378 in Rom an.
Sie wurde von Papst Urban VI. empfangen, der in ihrer Anwesenheit eine wichtige
Unterstützung sah. Da die Spaltung der Kirche sie überaus schmerzlich berührte,
begann sie einen Gebetskreuzzug und appellierte an alle, mit christlicher Liebe
zu handeln, um die Probleme der Christenheit zu lösen. Sie rief Fürsten und
Städte zum Gehorsam gegenüber dem Papst auf und bat Ordensleute und
Einsiedlermönche um Unterstützung für den Papst. Am 29. Januar 1380 geriet
Katharina bei ihrem letzten Besuch im Petersdom in Ekstase und sah Jesus, wie
er zu ihr trat und das schwere, unruhige Schiff der Kirche auf ihre schmalen
Schultern legte; unter der gewaltigen Last brach sie ohnmächtig zusammen.
Durch ihre vielen Bußübungen zusätzlich geschwächt und
krank, verabschiedete sie sich bald danach von ihren Freunden. Als sie am 29.
April ihr Ende nahen fühlte, betete sie noch einmal insbesondere für die
katholische Kirche und für den Heiligen Vater. Bevor sie starb, erklärte sie:
„Ich habe mein Leben in der Kirche vollendet und für die heilige Kirche
hingegeben; das ist für mich eine einzigartige Gnade.“ Dann sprach sie mit
strahlendem Gesicht die Worte des Erlösers „Vater, in deine Hände befehle ich
meinen Geist“ (Lk 23,46), neigte sanft den Kopf und entschlief im Herrn im
Alter von 33 Jahren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen