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Freitag, 14. August 2015

Das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel (4/4)

Gegen den Irrtum des übergroßen Optimismus des Menschen, der sich selbst erlösen zu können glaubt, lehrt uns die Mariengestalt daß nur der Mensch, der von Christus erlöst ist, vor Gott Gültigkeit besitzt. Menschliches Irren meint, der Fluch, von dem es erlöst zu werden gilt, sei nur menschliche Unzulänglichkeit; und die Erlösung werde mit etwas gemeinsamem guten Willen geleistet werden können. Maria zeig): Der Fluch ist die Erbschuld vor Gott — auch ihre Unbefleckte Empfängnis war Erlöstheit durch Christus von einer Schuld, der sie an sich verfallen wäre —; und die Erlösung heißt Gotteskindschaft, zu der nur Christus die Menschen führen kann, da er sie mit sich verbinde).

Gegen den gegenteiligen Irrtum aber des übergroßen Pessimismus, der mit der Reformation Luthers und der „Sündenmystik" unserer Zeit an der Bedeutung menschlichen Eigenwirkens bei der Erlösung verzweifelt, zeigt uns Maria den Menschen, der erlöst wird, indem er sich erlösen läßt, indem er sein „Fiat" sagt und sein ganzes Leben zum Weiterklingen dieses Fiat an den Willen des Vaters gestaltet.

Gegen einen einseitigen Spiritualismus, der nur die Seele erlöst glaubt und den Leib sich selbst überläßt, zeigt uns das neue Dogma, daß auch der Leib das „Heilmittel der Unsterblichkeit" besitzt, wie die frühen Kirchenväter gern sagen.

Maria als Urbild der Erlösten zeigt uns, was Erlöstheit bedeutet:
Verklärung der Seele und des Leibes. Sie hat sie als Urbild schon zu Beginn, wir werden die ganzheitliche Erlösung der Seele und des Leibes im Vollsinn erlangen, wenn wir — und das ist eine letzte Korrektur am Irren der heutigen Menschheit — dem Leib die Erlösung in der von Maria vorgeprägten rechten Ordnung zukommen lassen.
Der Mensch unserer Tage wird nicht ungern hören, daß in diesem Dogma dem Leib sein Recht gegeben werde. Dennoch wird auch er in vielleicht recht schmerzliche Schranken gewiesen. Er nämlich sucht Erlösung, Beseligung seiner Seele, indem er den Sehnsüchten des Leibes zuerst, vielleicht ausschließlich, nachgeht.
Damit verkehrt er die rechte Ordnung.
Er spürt es ja selbst, daß seine ruhelose Seele durch Leibesseligkeit nicht zu Frieden und Erlösung kommt.

Maria erlangt die leibliche Jenseitsvollendung, da sie das Ja zum Werk Christi in seinem innersten Gehalt, der Unterwerfung unter den Willen des Vaters, sprach. Das aber war ein Ja der Seele, in der Gottes Gnade wirkte. Weil diese Seele den Leib belebt, deshalb ist auch dem Leib seine Verklärung gegeben. So wird der Mensch seinen Leib der Erlösung Christi aussetzen müssen, indem seine Seele in Christus dem Vater dient im leibseelischen Kultus des sakramentalen Opfers, das ihm Programm für den leibseelischen Dienst seines ganzen in Christus erlösten Menschenlebens ist.

In dieser Ordnung kann der Mensch schließlich auch Ja sagen zu einem zerfleischten Leib, wie Maria es tat, da sie den entseelten Leib ihres Sohnes auf dem Schoße trug. Das Ja der begnadeten Seele zum Willen Gottes gibt allem seinen Sinn, empfängt für alles die Erlösung, die Christus uns eropfert hat.

Das alles überdenkend, werden wir bestätigt finden, was die Bischöfe Deutschlands in
dem schon einmal zitierten Hirtenbrief geschrieben haben, „daß die Lehre von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel den geistig ringenden Menschen unserer Zeit viel mehr bedeutet, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Der Geist Gottes redet zu uns nicht von belanglosen Dingen. Seine Wahrheit ist lebenzeugende Wahrheit. So soll auch aus dieser Lehre neues Leben quellen".

Mariens Herrlichkeit. Mariens leibliche Aufnahme als Dogma der Kirche, von Otto Semmelroth S. J.



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