Gregor von Tours, gestorben
593, berichtet über den Heimgang Mariens.
Venantius Fortunatius
(gestorben 600) verwendet in seinem Hymnus die Wortform „Dormitans –
Entschlafend“. Modestus von Jerusalem (gestorben 634) schreibt vom „seligsten
Entschlafen Mariens“, German von Konstantinopel (gestorben 733) „Die Mutter des
Lebens entschlummerte“ und Andreas von Kreta (gestorben 740) vom „glorreichen
Entschlafen“. Das Zeugnis des heiligen Johannes von Damaskus (gestorben 749)
ist von besonderem Wert wegen seiner Treue zur Heiligen Schrift und
freikirchlichen Überlieferung. Er schreibt: „Der Herrin Heimgang war herrlich
und wahrhaft heilig“ (Homilie über die selige Entschlafung Mariens).
„Der Herrin Heimgang war
herrlich und wahrhaft heilig. Seht, wie die Quelle des Lebens mitten durch den
Tod zum Leben geführt wird. Seht, wie die heilige Seele, da sie sich von dem
Gott aufnehmenden Zelte loslöst, vom Schöpfer aller Dinge mit eigenen Händen
aufgenommen wird! O herrlicher Abschied, welcher die Ankunft bei Gott beschert!
Denn mag dies auch allen Gott liebenden Menschen von Seiten Gottes gewährt sein
– und es ist gewährt, wir glauben daran -, so besteht doch zwischen den
Knechten Gottes und der Mutter ein unendlicher Unterschied. Wie sollen wir
dieses an ihr gewirkte Geheimnis nennen? Tod? Doch wenn auch der Leib dem
herkömmlichen Grab übergeben wird, er verbleibt nicht in der Gewalt des Todes
und fällt nicht der Verwesung anheim. Denn wie beim Gebären ihre Jungfrauschaft
unversehrt blieb, so wird beim Scheiden ihr Leib vor der Verwesung bewahrt und
nur in ein besseres und göttlicheres Gezelt versetzt, welches keinem Tod
unterliegt, sondern ohne Ende in alle Ewigkeiten bestehen wird.
Die so hell leuchtende und
stets strahlende Sonne wird durch den Mond für eine kleine Weile verhüllt und
scheint zwar zu erlöschen und im Dunkel zu versinken und den Glanz mit
Finsternis zu vertauschen, trotzdem geht sie aber ihres Lichtes nicht
verlustig, weil sie eine unaufhörlich sprudelnde Quelle des Lichtes in sich hat
oder vielmehr selbst eine unversiegliche Quelle des Lichtes ist, wie Gott der
Schöpfer bestimmt hat. So bist auch Du die unvergängliche Quelle des wahren
Lichtes, der unerschöpfliche Schatz des Lebens selbst, der überreiche Sprudel
des Segens, und wenn Du vorübergehend durch den Tod dem Leibe nach verhüllt
wirst, so spendest Du uns doch in Überfülle unversiegliche und reine und
unerschöpfliche Wasser unermesslichen Lichtes und himmlischen Lebens und wahrer
Seligkeit, Ströme der Gnade, Quellen der Heilung, unaufhörlichen Segen. Deshalb
werde ich Deinen heiligen Heimgang nicht Tod nennen, sondern Entschlafen oder
Abschied oder, eigentlich zu reden, Ankunft.
Welch überwältigende Dinge!
Jener Tod, der einst Gegenstand der Verwünschung und des Hasses war, wird jetzt
gefeiert und seliggepriesen. Er, der einst Schmerz und Trauer, Tränen und Klage
brachte, hat sich jetzt als Ursache der Freude und des Jubels erwiesen. Nun
wird freilich bei allen Dienern Gottes, deren Tod gepriesen wird, ihre
Gottwohlgefälligkeit erst nach dem Ende des Lebens sichergestellt: Und ihr Tod
wird deshalb gepriesen, weil er sie vollendet und seligmacht, nachdem er ihnen
die Unwandelbarkeit der Tugend verleiht, gemäß dem Worte, dass da sagt: „Preise
keinen Menschen selig vor seinem Ende!“ (Sir 11,28)
Von Dir aber lassen wir das
nicht gelten. Denn nicht der Tod erwirbt Dir die Seligpreisung, und nicht der
Hingang gibt Dir die Vollendung, und nicht der Abschied gewährt Dir die
Sicherheit. Nicht der Tod hat Dich seliggepriesen, sondern Du hast den Tod
verherrlicht, indem Du seine Traurigkeit aufhobst und ihn zur Freude machtest.
So wollen wir unsere Seelen
in der Hoffnung auf Dich als einen durchaus festen und sicheren Anker ketten,
wollen Geist, Seele, Leib, alles was wir sind und haben, Dir zum Geschenke
weihen und mit Psalmen, Hymnen und geistlichen Gesängen Dich verherrlichen,
soweit wir es nur vermögen.
(Johannes von Damaskus – gestorben um 750)
(Aus: Weisheit des
christlichen Ostens. Der Himmel liebt die Erde. Herder 1978)
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