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Freitag, 28. August 2015

Der heilige Augustinus und die heilige Kirche

Der Tempel Gottes, nämlich der Tempel der ganzen allerhöchsten Dreifaltigkeit, ist die heilige Kirche, d. h. die Kirche in ihrer Gesamtheit im Himmel und auf Erden. Was können wir aber von jener Kirche im Himmel weiteres sagen, als daß es in ihr keine Bösen gibt und daß in ihr von dem Zeitpunkt an, wo nach dem schriftlichen Zeugnis des Apostels Petrus Gott „nicht einmal die Engel schonte, als sie sündigten, sondern sie in den Kerker der höllischen Finsternis schleuderte und sie dahingab, daß sie bewahrt würden zur Strafe im Gerichte“, kein Glied mehr der Zugehörigkeit zu dieser Kirche verlustig gegangen ist, noch auch verlustig gehen wird. Welches ist aber nun der Zustand dieser erhabenen, hochseligen Schar? Wie unterscheiden sie sich hinsichtlich ihres Vorranges? Wie kann dort von Erzengeln die Rede sein, wo doch all diese Himmelsbewohner mit dem Gesamtnamen „Engel“ bezeichnet werden? So lesen wir z. B. im Hebräerbrief: „Denn zu welchem der Engel hat Gott jemals gesprochen: Setze dich zu meiner Rechten?“

Damit hat der Apostel doch wohl zu erkennen gegeben, daß alle den Gesamtnamen „Engel“ tragen. Werden ferner jene Erzengel zugleich auch Heerscharen genannt und heißt es in dem Sinne: „Lobet ihn, all seine Engel! Lobet ihn, all seine Heerscharen!“, als ob gesagt sei: „Lobet ihn, all seine Engel! Lobet ihn, all seine Erzengel“? Was für ein Unterschied liegt endlich in jenen vier Bezeichnungen, womit der Apostel die ganze himmlische Heerschar zusammenzufassen scheint mit den Worten: „Seien es nun Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten“?

All diese Fragen mögen diejenigen beantworten, die es können, vorausgesetzt, daß sie auch imstande sind, für ihre Behauptungen einen Beweis zu bringen. Ich für meine Person muß schon gestehen, daß ich darüber nichts weiß. Ja nicht einmal das weiß ich ganz bestimmt, ob zu diesen Scharen nicht auch Sonne und Mond und all die anderen Gestirne gehören, obgleich sie manche nur für leuchtende Körper ohne Sinne und Verstand halten. Wer möchte ferner erklären wollen, welcher Art die Körper waren, in denen die Engel den Menschen erschienen sind, so daß man sie nicht bloß schauen, sondern sogar berühren konnte; oder wie es kommt, daß die Engel anderseits wieder nicht in körperlicher Gestalt, sondern durch geistige Beeinflussung nicht dem körperlichen, sondern dem geistigen Auge, dem inneren Sinn, gewisse Erscheinungen zeigen und wie sie denn dann nicht zu dem äußeren Ohr, sondern inwendig in der Menschenseele sprechen. Denn auch da (in der Menschenseele) wohnen sie; steht ja doch in dem Buche der Propheten geschrieben: „Und es sprach zu mir der Engel, der in mir redete.“

Der Prophet sagt nicht: „Der zu mir redete“, sondern: „Der in mir redete“; oder es soll einer erklären, wie die Engel auch im Schlafe erscheinen und da wie im Traum zu uns sprechen. Es gibt hierfür eine Stelle im Evangelium: „Siehe, ein Engel des Herrn erschien ihm (dem Joseph) im Schlafe und sprach.“ ― Auf solche Weise geben die Engel gewissermaßen zu verstehen, daß sie keinen greifbaren Körper haben und es gestaltet sich darum die Frage sehr schwierig, wie ihnen denn dann die Patriarchen die Füße waschen und wie Jakob in jener bekannten kräftigen Berührung mit dem Engel ringen konnte“. 

An solcherlei Fragen, wo ein jeder nach Kräften seinen Scharfsinn spielen läßt, bildet sich der Geist nicht ohne Nutzen; nur darf der Streit die Grenzen der Mäßigung nicht überschreiten und muß der falsche Glaube ferngehalten werden, man wisse etwas, wovon man in Wirklichkeit nichts weiß. Denn was hat es schließlich für einen Wert, dieses oder jenes zu behaupten oder zu verneinen oder mit einem Aufwand von Scharfsinn auseinanderzusetzen, wenn es keinen Schaden bedeutet, davon nichts zu wissen.

Augustinus
Aus: Buch vom Glauben, von der Hoffnung und von der Liebe (De fide, spe et caritate), 15. Kapitel.


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