Der christliche Sieg durch das,
was dem superintelligenten Luzifer fehlt:
der sterbliche Leib und die Gnade.
Die Taktik des Bösen besteht
darin, von den größeren Gefahren abzulenken, so dass man schließlich im Kampf
alle Energie für bloße Luftstreiche verwendet (vgl. dazu 1 Kor 9,27). Es ist
gefährlich, diese Strategie des Feindes zu verkennen.
Ist die Versuchung zur
fleischlichen Unzucht am Bedrohlichsten?
Sind gefährliche Krankheiten
und Nahrungsmangel die größten Gefahren für die Menschheit?
Oder ist das größere Übel
vielleicht letztlich in der Unwissenheit begründet? …
Wäre die Welt vollkommen,
wenn alle die Wahrheiten des christlichen Glaubens bestens kennen würden?
Heilbringen und Erlösung müsste dann in erster Linie darin bestehen, Irrtümer
und Schwachheiten zu besiegen, Unterentwicklung zu beseitigen - würden dann die
Menschen schon das Richtige tun? So zu denken kommt auf einen Freispruch, eine
Rechtfertigung des Teufels hinaus.
Wenn man meint, um gut zu sein, genüge es, sinnliche
Versuchungen zu beherrschen und möglichst viel zu wissen, dann gerät man in den
Stolz. - Wer aus der Selbstbeherrschung das Nonplusultra der Moral macht,
begeht einen großen Fehler.
Denn der Teufel, der
schlimmste Sünder, hatte keine fleischlichen Versuchungen, kann nicht selbst in
Unzucht, Trunkenheit, Drogenabhängigkeit usw. geraten, obwohl er dazu versucht.
Für uns kann die
Wissensvermehrung und Erhellung der Erkenntnis nicht das Erste sein. Sonst
verfällt man der alten Häresie des Gnostizismus. Eine Art Neuauflage der Gnosis
ist wieder recht modern geworden; sie findet sich etwa auch bei Hegel.
Damit ist oft auch eine grundsätzliche
Abwertung des Leiblich-Sinnenhaften verbunden, wie bei den Katharern. Sie kann
zur intellektuellen Überheblichkeit, aber auch zur Apathie führen. Schon
Augustinus hat sich scharf dagegen gewandt, denn Leidenschaften und sinnliche
Regungen gehören notwendig zu diesem unserem Leben.
Ignoranz, Schwäche und
ungeordnete Leidenschaften sind für die meisten unserer Fehler verantwortlich;
sie führen aber noch nicht zum Kern des Bösen.
Am Gefährlichsten sind
Stolz und Neid.
Dazu vor allem will der Böse
verführen. Auch ein bergeversetzender Glaube und ein alles überragendes
Glaubenswissen sind nichts ohne Liebe und Gnade.
Theresia von Lisieux
schildert eine Szene, in der sich Luzifer spöttisch an Michael wendet und die
größeren Gefahren benennt, die den Ordensleuten drohen:
„Wenn die Klosterfrauen
keusch und arm sind - was haben sie denn mir voraus? Auch ich bin keusch und
verachte den Reichtum. Und wenn du mir vorwirfst, dass ich keinen Gehorsam
habe, dann sage ich, dass auch ich mich der Ordnung Gottes unterwerfe
-allerdings gegen meinen Willen. Auch die Nonnen können äußerlich folgen und im
Grunde ihres Herzens doch am Eigenwillen festhalten, gehorchen und doch
bestimmen wollen - was haben sie denn mehr als ich?"
In der Tat haben sie weniger,
wenn sie wahre Ordensleute sind, denn diese lassen alles ihren Bräutigam tun.
Aber auch bei Ordensangehörigen kann es so etwas Ähnliches wie das Miteinander
von Keuschheit des Engels und Stolz des Teufels geben.
Die Folgerung für uns
heißt:
Weg von der kalten Sonne des
selbstherrlichen Luzifer zum Hell-Dunkel, zum warmen Licht des wahren Glaubens,
obwohl das für uns jetzt noch Inevidenz des Erkennens und Zweifel an uns selbst
bedeutet. Denn den Dämonen fehlen drei Gegebenheiten, die für sie trotz aller
ihrer hervorragenden Ausstattung mit einmaligen natürlichen Qualitäten in der
jetzigen Heilsordnung einen schwerwiegenden Nachteil bedeuten:
sie haben keinen Leib, keine
Möglichkeit der Opferhingabe; sie kennen den Tod nicht und sie haben die Gnade
zurückgewiesen.
Ihre unheilbare Sünde des
Stolzes wirft sie auf sich selbst zurück; sie wollen sich selbst konstituieren,
nichts annehmen, was nicht von ihnen selbst kommt, alles der eigenen Einsicht
unterwerfen.
Der Teufel will nichts als sich selbst.
Er hat kein Herz und kein
Verhältnis zum Vater.
Der Mensch kann auf Erden
Prüfung, Bewährung und Umkehr erfahren. Die Engel sind gleich nach der
Erschaffung ganz frei, fertig und vollkommen in ihrer Art. Der Mensch muss heranwachsen
und kann sich als leibseelisches Wesen auch ändern - das bedeutet bei all
seiner Schwäche wegen der Inkarnation Christi auch eine Chance.
Der Leib ist an den
physischen Tod und die Liebe ist an den mystischen Tod gebunden: sie setzen
eine spezifische Abhängigkeit voraus. Diese fehlt dem Teufel als Geistwesen.
Nach der Menschwerdung und dem Kreuzestod Jesu können wir aber auch mit unserer
Leiblichkeit viel weiter kommen als zu einer bloßen Vernunfthelligkeit.
Mitopfern und Auferstehen mit Christus ist möglich
geworden.
Typisch für den
Spiritualismus ist auch eine Dämonisierung
des Weiblichen; die Frau gilt als Werkzeug des Teufels seit der Ursünde,
als besonders sensibel für Einflüsterungen, ja als Sinnbild für Sinnlichkeit.
Die böse Begierlichkeit erscheint als die größte Gefahr. Schließlich wird alles
Böse in den leiblichen Bereich verlegt.
Maria, die neue Eva, trug die
Fülle des gottmenschlichen Mysteriums in ihrem Leib. Sie braucht sich nicht um
den Teufel zu sorgen oder mit den Waffen eines Engels zu kämpfen, sondern, da
sie ganz auf Gott hin geöffnet und voll der Gnade ist, zerschmettert sie seine
auf seine Geistnatur hin verengte und verschlossene Selbstherrlichkeit, sein
Haupt, ganz souverän. Welch ein von der Leibhaftigkeit einer demütigen Magd
herrührender Sieg über den rein geistigen „Herrn dieser Welt"!
Unerträglich für den Stolz
des bösen Geistes!
Er fürchtet sich vor der
Leiblichkeit einer schwachen Jungfrau.
Maria hatte nicht die Erkenntniskraft
eines reinen Geistwesens, doch ihr seliggepriesener Glaube steht wesentlich
höher als die einzigartige Hellsicht des „Glaubens" der Dämonen.
Unser Glaube hängt mit der Liebe zum menschgewordenen
Heiland zusammen (Joh 16, 27) und verpflichtet zur Erfüllung seiner Gebote (Joh
14, 15; 15, 10). Die Christen versammeln sich nicht einfach um edle Ideen,
sondern um eine Person aus Fleisch und Blut.
Der Teufel ist der Feind der
Inkarnation und jeder Verleiblichung des Gnadenlebens. Er bekämpft daher besonders
das Papsttum und das Priestertum, bei denen die Menschwerdung sichtbar wird.
Bei unserem Credo geht es
nicht nur um das Wissen von Glaubenssätzen; die Kirche besingt darin die
Offenbarung der Liebe Gottes. Der vertrauende Glaube der Mystiker bedeutete
keine Superintelligenz; er umfasste sogar die „dunkle Nacht der Seele", wo
nichts Irdisches mehr einen Trost bedeutet, d.h. eine besondere Verähnlichung
mit der Verlassenheit Christi in seinem Leiden.
Das Ziel unseres Glaubenslebens besteht aber letztlich
darin,
den Glauben zu „verlieren", wenn er in die Schau
übergeht,
in die vollkommene Vereinigung mit Christus im Erkennen
und Lieben,
die visio beatifica.
+
(Prof. Dr. Johannes Stöhr,
aus: „Der Glaube der Dämonen und die Zerrüttung des Atheismus“, Theologisches
07/08, 2015-09-26“
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