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Sonntag, 27. Dezember 2015

Christus wird in der Messe geboren, stirbt darin und steht auf.

Martin Mosebach an Weihnachten in der FAZ

Christlich gesehen, ist der Gegensatz von Frieden nicht der Krieg, sondern die Sünde.

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Das Christentum ist keine Buchreligion. Es zählen alle Zeugnisse der jungen Kirche, eben nicht nur die Evangelien, sondern auch die frühe Tradition und die Lebenszeugnisse der jungen Christen. Ich denke besonders an die Märtyrer.

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Religion ist etwas anderes als Denken oder Fühlen. Es geht um ein Ergreifen der ganzen Person, die sich bis ins Tägliche, bis in Gewohnheiten hinein ausformt. Und deshalb ist die christliche Kultur nicht nur ein Akzidenz des Glaubens, sondern etwas aus dem Christentum Geborenes, in den Alltag gewendete Religion. Wenn die Religion nicht mehr den Alltag verändernd, formend, gestaltend wirkt, dann ist sie unfruchtbar geworden. Dann ist sie nicht mehr da.

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Man kann sagen, wir haben heute die Geschichte Jesu und seiner Jünger aufgeschlüsselt in psychologische Phänomene mit der phantastischen Wendung, aus einem Versagen einen Sieg zu machen – das findet man häufig bei Neurotikern oder bei Alkoholikern, die sich ihre Welt zimmern. Und daraus wurde eine Massenpsychose.

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Jesus geht es überhaupt nicht um Moral, ... Er will nichts anderes als die Vergöttlichung des Menschen: „Seid vollkommen, wie mein Vater im Himmel vollkommen ist.“

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Das ist der Realismus des Christentums. Die Sünde ist der Ausgangspunkt, schon am Anfang der Menschheitsgeschichte als Erbsünde. Aber Jesus macht für den Einzelnen die Umkehr möglich: Sündige nicht mehr. Dann kann es zur Aufhebung der Schuld kommen, zur restitutio ad integrum. Der Mensch ist dann wie Gott. Natürlich nicht im Sinne einer Selbstvergottung, er ist vielmehr gottförmig geworden. Er denkt die Gedanken Gottes. Das ist das Ziel des Christentums. Weniger ist es nicht. Es geht um ein Maximalprogramm. Auf keinen Fall geht es um die Bewältigung von irgendwelchen Alltagsfragen. Man kann sich die Botschaft Jesu nicht steil genug vorstellen.

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Ich möchte übrigens bemerken, dass die Historisierung hier nicht als Fremdkörper hinzutritt. Sie hat schon ihre Notwendigkeit im Christentum selbst. Wenn Christus eine historische Figur ist, dann muss sie auch historisch betrachtet werden können. Und er ist eben keine mythische Figur.

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Das Ereignis von Weihnachten – das ist zunächst der Eintritt Gottes in die Geschichte, in die „Fülle der Zeiten“. Es ist übrigens bezeichnend, dass die beiden populärsten Andachtsbilder, die wir in der lateinischen Welt haben – Mutter mit Kind und die Mutter mit dem toten Christus –, beide nicht den lehrenden Christus zeigen, sondern den wortlosen, sogar den toten. Gott kann sogar tot sein. Er ist wirklich Materie geworden. Das hat seine Konsequenz für die Sakramente der Kirche, die an die Materie gebunden sind: Wasser und Feuer, Brot und Wein. Seit der Inkarnation ist die Materie für die Kirche so wichtig, dass man geradezu von einem „Sakralmaterialismus“ sprechen könnte.

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Gerade Weihnachten. Der Glaube muss sich in einem Fest ausdrücken, wozu übrigens auch die Verschwendung gehört. Christus spricht vom Himmel als einem Fest, als Gastmahl, als Hochzeit des Lammes in der Apokalypse. Die Erlösung ist ein Fest. Und der Vorgeschmack der Erlösung in der Anamnesis des Inkarnierten ist die Liturgie.

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Christus wird in der Messe geboren, stirbt darin und steht auf.

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Es können nicht alle die Summa theologica des Thomas von Aquin lesen. Das geht eben nicht. Aber wenn die neuere Theologie so trivialisiert wird, wie einst die Scholastik trivialisiert wurde, dann bleibt wirklich nicht viel übrig. Und dann darf man sich nicht wundern, wenn die Leute den Kirchen entgleiten.

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Das Christentum ist die Religion der Unruhe. Es wird gegenwärtig doch unendlich verharmlost. Da wird die feucht-warme Barmherzigkeitsdecke schon übergestülpt, bevor das Unfallopfer, von dem Papst Franziskus so gerne spricht, überhaupt festgestellt hat, dass es verwundet ist.

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Wir haben die Liturgie, die sich Räume baut, die Bilder hervorbringt, die natürlich auch ihre eigene Musik hat, aber die im Kern von alldem auch wieder ganz unabhängig ist. Liturgie ist eine Kunst, die ohne Kunst auskommt, sie kann auch in der Tiefgarage gefeiert werden, ohne Musik und ohne Bilder und ohne geistreiche Predigt. Und es ist dann kein Minus, sondern mag sogar noch eindrucksvoller sein.

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Ich bin sehr unbehaust, weil es die Welt, in der ich behaust sein könnte, nicht mehr gibt. Ein witziger Freund von mir sagte einmal: „Deutschland hat sich von mir isoliert.“ Ich bin manchmal versucht, das auch von der Kirche zu sagen.

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