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Donnerstag, 31. Dezember 2015

Silvestergabe - Jean Raspail, Der letzte Franzose und Das Herrlager der Heiligen

Der Roman Das Heerlager der Heiligen“ von Jean Raspail, welcher in diesem Sommer erschienen ist, hat in Deutschland viel Staub aufgewirbelt. Aufgrund seiner Aktualität im Zusammenhang mit der  Flüchtlingssituation in Deutschland fand der Roman des französischen Schriftstellers, den er 1973 schrieb (Originalfassung Le Camp des saints), Einzug in die meisten Feuilletons der großen Zeitungen und Magazine.

Jean Raspail wird im Jahr 1993, 68 jährig, interviewt und auf dieses Buch angesprochen und gefragt: Das Heerlager der Heiligen ist bereits zwanzig Jahre alt. Vergleichen Sie das, was sich heute ereignet, mit dem, was Sie einst geschrieben haben?

Raspail antwortet darauf:
Ja, und ich bin gehörig überrascht. Ich habe dort Predigten, Leitartikel oder sogar Szenen eingewoben, die ich gänzlich erfunden hatte, und die ich nun fortwährend wiederfinde, in all dem, was heute gesagt wird. Mir schien es immer, als hätte das Heerlager eine stark »inspirierte« Seite, als wäre es mir von einem Geist außerhalb meiner selbst eingegeben worden. Ich bin auch sehr überrascht, die boatpeople erfunden zu haben, bevor es sie tatsächlich gab. Haben Sie mich eigentlich schon danach gefragt, was mir unerträglich ist? Es sind all diese hübschen guten Gewissen der guten Menschen. Deshalb bevorzuge ich einen Platz im Hintergrund; ich hatte nie das Bedürfnis, eine solche Rolle zu spielen, denn ich weiß, wie falsch sie ist. Diese Leute, die ihre Zeit als moralische Autoritäten verbringen, um einem zu diktieren, was man tun und lassen soll: das ertrage ich nicht. Ich habe es genossen, einige von ihnen im Heerlager auftreten zu lassen, und heute begegnen sie mir alle wieder.

Scheinbar im Vorgriff auf unsere heute Situation im Zusammenhang mit den Flüchtlingen wird er gefragt:
Das Attribut, das Ihrem Heerlager oft zugeschrieben wird, lautet ‚prophetisch‘. Halten Sie das für übertrieben?

Raspail:
Ehrlich gesagt: nein. Auch wenn ich damit wohl nicht gerade einen Beweis für meine große Bescheidenheit liefere. Wie ich schon sagte, es gab eine gewisse Art der Inspiration, die man nicht definieren kann, die höherer Natur ist. Von einem göttlichen Befehl zu sprechen, ginge freilich zu weit. Aber wenn dieses Buch einen prophetischen Zug hat, dann verdankt er sich dieser Inspiration. Ich habe es nahezu in einem Zug geschrieben, das hat sechs oder sieben Monate gedauert, eine Zeitspanne, in der ich mich nicht von ihm lösen konnte: und als ich es abgeschlossen hatte, war ich nicht mehr derselbe. Es war das einzige Mal, in der die Niederschrift eines Buches mein Gesicht veränderte. Es sah während dieser Zeit völlig anders aus, als es normalerweise ist; die Fotos von damals bezeugen es. Als ich mit dem Buch fertig war, begann ein neues Kapitel meines Lebens ...

Übrigens;
auf die Frage: „Was möchten Sie sein?“ antwortet Raspail:
Bischof.
Ich wäre gern ein bedeutender katholischer Prälat, herrlich anzusehen, unnachgiebig im Dogma, vierzig Personen zu Tische empfangend, umgeben von Dienern mit weißen Handschuhen, in einem prächtigen Bistum. . .

Auf die Frage nach dem irdischen Glück antwortet Jean Raspail:
Wenn es einem gelingt, nicht nur einmal, sondern vielleicht sogar zweimal, dreimal oder häufiger die Wirklichkeit und den Traum in Einklang zu bringen, ist das ein unermeßliches Glück. Ich habe geträumt, ein Forscher zu werden: und ich wurde einer. Ich habe geträumt, Schriftsteller zu werden, lange bevor ich zu schreiben anfing - ich bin spät Schriftsteller geworden -: und ich wurde einer. Ich habe von einer großen Liebe geträumt: auch dieser Wunsch wurde erfüllt. Und das ist fantastisch. […] Man ist jedoch nicht auf der Welt, um glücklich zu sein. Dieses allseitige Streben nach Glück macht mich wahnsinnig. Wenn man es dennoch findet, umso besser. Man kann es im übrigen in ganz unterschiedlichen Dingen erleben: beim Cassoulet essen, beim Musik hören, wenn man seine Geliebte küßt oder in der Sechs-Uhr-Morgenmesse an der heiligen Kommunion teilnimmt; aber das ist nicht der Sinn des irdischen Daseins.
Die Moral des Glücklichseins lehne ich ab.


„Der Schriftsteller Jean Raspail, geboren am 5. Juli 1925, ist Royalist, gläubiger Katholik und Verfasser grandioser Dystopien. Er gehört zu den führenden unabhängigen Autoren Frankreichs, viele seiner Bücher erhielten renommierte Kritikerpreise. Neben seiner publizistischen Tätigkeit leitete Raspail zahlreiche Reisen und Expeditionen. Er ist Mitgleid der Societe des Explorateurs Francais und Generalkonsul von Patagonien. In Deutschland ist Raspail bisher einem ebenso ausgesuchten wie feinen Publikum bekannt, und zwar aufgrund dreier Bücher: Das Heerlager der Heiligen (dt. 1985), Sire (dt. 2005) und Sieben Reiter verließen die Stadt (dt. 2013, erschienen im Verlag Antaios). Das 41. kaplaken bietet nun eine typische Auswahl aus dem essayistischen Werk Raspails und erschließt mittels einiger Gespräche das Selbstverständnis dieses wichtigen Autors.“


JEAN RASPAIL. DER LETZTE FRANZOSE. VERLAG ANTAIOS kaplaken 41
Martin Lichtmesz (der beste Kenner Raspails außerhalb Frankreichs) und Benedikt Kaiser übersetzten Gespräche, Interviews und Essays Raspails. Daraus entstand 2014 das kaplaken-Bändchen „Der letzte Franzose“. Die oben zitierten Zeilen sind einem Interview entnommen, das gleichfalls für diese Buch übersetzt wurde.



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