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Donnerstag, 23. April 2015

Liturgiereform. Aktueller Bericht aus der Sicht der Progressisten.



Es fügt sich gerade, dass vor wenigen Tagen in der Rheinischen Post, einer überregionalen Tageszeitung, die in Düsseldorf erscheint, ein Artikel erschienen ist, der etwas nachtrauert, das es so gut wie nicht mehr gibt. Unter der Überschrift „Die Jongererenkerk [die Kirche der Jüngeren] ist älter geworden“ berichtet der Journalist Ludger Peters, der in unmittelbarer Nachbarschaft der „Jongerenkerk“ [Jugendkirche] aufgewachsen ist, wie die damalige Bewegung entstanden ist und was aus ihr geworden ist. Peters schreibt als jemand, der sich jenem Ansinnen verbunden fühlt. Freilich besteht die Gruppe um die Jongerenkerk hauptsächlich aus den Jungen von damals. 
 

Vor 50 Jahren initiierte Kaplan Leo Brueren in Venlo in der leerstehenden Minderbroederskerk [Franziskanerkirche] Messfeiern mit verständlichen Texten und modernen Gesängen. Daraus wurde die weit über Venlo hinaus [auch nach Deutschland] wirkende Jongerenkerk.

Leer stehende Kirchen gibt es heute vielerorts. Das Phänomen ist aber nicht neu. Mitte der 1960er-Jahre stand im Herzen die kleine, unscheinbare Minderbroederskerk leer. Für die Kirche der Franziskanermönche gab es augenscheinlich keine Verwendung mehr. Das ließ Kaplan Leo Brueren von der Venloer St.-Martinus-Hauptpfarre keine Ruhe. Brueren sann schon länger darüber nach, wie er jüngere Menschen wieder für den Glauben begeistern könnte.

Er trug seine Idee, Eucharistiefeiern anders, mehr jugendgerecht zu organisieren, dem Bischof vor. Kaplan Brueren erhielt tatsächlich die Erlaubnis, in experimenteller Weise abzuweichen von den strengen Riten. Brueren durfte in der Minderbroederskerk Messen feiern, in denen nicht die traditionelle Liturgie mit ihren weltweit einheitlichen Texten und der ebenfalls einheitliche Gesang gepflegt wurde.

Der Zuspruch junger Menschen, die von der anderen Form der Messfeier angezogen wurden, die Texte verstanden und selbst schrieben, die sich mit dem modernen, zeitgemäßen Gesang befassten, war vorher schon vorhanden. Seit 1958 hatte der Kaplan immer mehr junge Menschen mit unkonventioneller Ansprache an sich gebunden. Brueren inspirierte sie, änderte behutsam althergebrachte Formen, verließ aber nie ganz den Pfad der katholischen Kirche.

In der Minderbroederskerk hielt er schließlich ab 1965 Sonntagsmessen. Das Vorbild dazu holte er sich aus Duisburg, wo eine junge Gemeinde schon länger existierte. Niederländische Texte auf Spirituals lockten immer mehr Menschen an. In der Kirche gab es nur Stehplätze, angeblich besuchten zeitweilig Tausende Jugendliche die Messen um 10 Uhr. Es bildeten sich ein eigener Chor und ein Orchester. Kaplan Brueren ging nun noch einen Schritt weiter: Frauen standen mit am Altar. Es entwickelten sich Kontakte zu Bistümern in Südamerika, Afrika und Teilen Asiens. Das Elende vieler Länder rückte so plötzlich näher an die lebenslustige Jugend der Beat-Generation. Natürlich steigerte das alles die Sensationsgier der Medien. Zeitungen und Zeitschriften berichteten, Fernsehsender beschäftigten sich mit dem neuen Phänomen, das sich in Windeseile in den Niederlande, Belgien und Deutschland ausbreitete und zunehmend auch Prominente anlockte und zu Kommentaren herausforderte.

Konservative Priester und Gläubige beäugten die "Jugendkirche" (Jongerenkerk) von Anfang an mit Misstrauen und Ablehnung. Sie überschütteten sie - wenig christlich - mit beißendem Spott, es gab auch handfeste Beschimpfungen und heftige Grundsatzkritik. Die Bezeichnung "Zirkus Brueren" war noch eine freundlichere Form des Hohns, der aber bei den jungen Leuten nicht verfing.

Denn weniger rückwärts gewandte Priester folgten bald Bruerens Vorbild. Auch sie holten junge Menschen ganz schlicht damit zurück in die Kirchen, indem sie den Glauben verständlicher Sprache und mit Musikformen jener Zeit verkündeten. Vor allem auf deutscher Seite gab es eine regelrechte Erneuerungswelle. Und nicht wenige junge Menschen aus dem heutigen Nettetal zog es häufig nach Venlo in die Jongerenkerk. Sie knüpften untereinander Kontakte in einer Zeit, in der auch die Wunden des zwanzig Jahre vorher erst beendeten Kriegs versorgt werden konnten.

Das ist jetzt 50 Jahre her. Kaplan Leo Brueren starb am 12. Januar 2012, knapp zwei Wochen, bevor er 87 Jahre wurde. Er wurde unter großer Anteilnahme in Venlo, das er nie verließ, zur Grabe getragen. Noch einmal lebte dabei vielleicht jenes Lebensgefühl auf, das seinerzeit so viele Menschen erfasst hatte. Anfangs waren es die Jugendlichen, zunehmend aber ließen sich auch ältere Generationen anstecken. Die Veränderungen durch das Zweite Vatikanische Konzil, das 1962 bis 1965 stattfand, nahm die Jongerenkerk dankbar auf. Der Enthusiasmus, mit dem die Änderungen aufgenommen wurde, führte zu einer harschen Gegenbewegung. Der neue Bischof von Roermond drehte das Rad zurück und griff hart gegen jene durch, die seiner streng dogmatischen Linie nicht folgten. Es gab eine Reihe von Amtsenthebungen im Bistum Roermond, aber die Jongerenkerk tastete der Bischof nicht an. Er distanzierte sich zwar, vertraute aber Leo Bruerens Treue zur Kirche.

Der blieb Kaplan und lehnte mehrere Angebote ab, an anderen Orten Pfarrstellen zu übernehmen. Nicht verhindern konnte die Bewegung, dass in den 1970er-Jahren der Schwung erheblich nachließ. Nicht mehr Jugendliche, sondern Familien mit Kindern besuchten die messen. Bald kamen zunehmend ältere Besucher - die Jugend der 1960er-Jahre.

Bis heute werden sonntags um 10 Uhr in der Kirche Gottesdienste gefeiert. Der Stil änderte sich, passte sich erneut an. Die zunehmende Abkehr von Religiosität auch in der Venloer Gesellschaft ließ die aktive Gruppe und die Messbesucher abschmelzen. Dennoch hat die Jongerenkerk ihren Platz als besonderer Ort von Religiosität behalten.

Quelle: RP, 20. April 2015, Grenzland Kurier Regional, C5;
Siehe auch: rp-online

 
Advent 2011 in der Jongerenkerk
Quelle jkvenlo



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