1961 hörte ich auf dem
Kölner Kongreß für Kirchenmusik deren Chor aus Knechtsteden, wo damals das
Priesterseminar war, mit 45 Mitgliedern eine Vesper singen. Der sel. Papst
Johannes XXIII. hatte noch kurz vor dem Konzil die Bedeutung der lateinischen
Sprache unterstrichen, als er seine Konstitution „Veterum sapienta“ herausgab.
Mit dem 7. März 1965 wurde das Latein aus der Klosterkirche verbannt. Das
Missale Romanum war ja nur noch gut genug, um aus ihm den Kanon zu schneiden
und nun war alles übrige nur noch in deutscher Sprache zu hören.
Als Schüler traf mich dieser Kahlschlag meiner
Lieblingssprache sehr. Ich
hatte schon immer einen „Schott“ gehabt und deswegen gab es keine
Verständnisschwierigkeiten in der Liturgie. Später dann, als ich Latein lernte,
bekam ich von meinem geistlichen Onkel eine Taschenausgabe des Missale Romanum
geschenkt. Damit war man in der Liturgie der Kirche zu Hause. Völlig
unverständlich war mir, daß wir als
„Altsprachler“ nun auf einmal kein Latein mehr hören durften. Die
lateinische Messe war zugleich ja auch eine gute Übung in der Sprache Roms. Als
ich das einmal einem Pater, der später den Orden verlassen hat, sagte, bekam
ich die Antwort, ich sei ja mit dem „Choralheini“ verwandt und müsse so denken
– eine Anspielung auf den Kirchenmusiker-Onkel, der sich damals öffentlich
für Choral und Latein einsetzte und deswegen nicht wenig an Schelte einstecken
mußte.
In diesen Jahren kam ein
neuer Präfekt, also der zuständige Pater für das Internat. Er sang selbst gerne
und wir haben hin und wieder dann doch einmal ein lateinisches Hochamt singen
können. Aber das war die Ausnahme! Ich sammelte alles, was über die lateinische
Sprache in den erreichbaren Zeitungen gesagt wurde. In einer dicken Kladde, die
auf dem Titelblatt die Worte „Summaria latina“ stehen hatte, entstand so etwas
wie ein geistiges Tagebuch dieser Zeit. Dort ist z. B. der Aufruf Pater Seipolts zugunsten des Lateins zu finden; Seipolt war
damals bekannt durch seine humorvollen Bücher über die Kirche. Unter dem Titel
„Dominus vobis“ trat er für das Überleben des Lateins in der Kirche ein.
Aber erst „Die zerissene Tunika“ aus der Feder Tito Casinis entfachte die
Diskussion zugunsten des Lateins in der Kirche neu (8).
Natürlich las ich diese Bücher, deren Zahl sich bald mehrte, nicht im Internat,
sondern in den Ferien.
Da ich als Schüler auch oft
Probleme mit manchen Fächern hatte, wollte ich die Lehrer nicht verärgern.
Einmal habe ich, so erinnere ich mich, ein Wort des hl. Thomas von Aquin, das
Casini angeführt hatte, ausgerechnet unserem Mathematiklehrer in einer
Diskussion entgegengehalten. Der Kirchenlehrer sagt, die Gläubigen brauchen
nicht alles verstehen, was sie singen. Es genüge, daß die wissen, daß es zum
Lobe Gottes geschieht – dann würde sich auch der Geist erheben (9). Der Pater horchte auf und wollte unbedingt
wissen, woher ich dieses Zitat hätte. Ich habe es ihm nicht gesagt – das
Argument hat ihn wohl nicht unbeeindruckt gelassen. Unterstützung erhielten
die, die das Konzil richtig auslegten, im Juni 1968 von Kardinal Frings. Er
warnte im Kölner Dom vor einer deutschen Eingleisigkeit im Kult und erinnerte
mit Nachdruck an die Weisungen des Konzils.(10)
8 Zürich 1967.
9 ebd. 60.
10 Predigt zur Priesterweihe (Kirchenzeitung Köln
vom 11. Juni 1968).
(Dr.
theol. Joseph Overath)
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