Seiten dieses Blogs

Mittwoch, 29. April 2015

So war es. - Ein Sakristan erlebt die Liturgiereform. (7/8)

Mit der alten „Form“ kamen neue „Inhalte“: das Ablegen des Ordenskleides zeigte „neue“ Menschen; die Hinwendung zum „Volk“ beim Kult brachte auch demokratistische Elemente in die Kirche. Der „Volksaltar“ und die „Volkssprache“ in der Liturgie bedingten sich; die lateinische Liturgiesprache wurde gegen den Willen und die Anordnung des Konzils damals fast ganz zerstrümmert. Dabei standen die Spiritaner vor dem Konzil in einer guten Tradition, was die Pflege des Lateins anging.

1961 hörte ich auf dem Kölner Kongreß für Kirchenmusik deren Chor aus Knechtsteden, wo damals das Priesterseminar war, mit 45 Mitgliedern eine Vesper singen. Der sel. Papst Johannes XXIII. hatte noch kurz vor dem Konzil die Bedeutung der lateinischen Sprache unterstrichen, als er seine Konstitution „Veterum sapienta“ herausgab. Mit dem 7. März 1965 wurde das Latein aus der Klosterkirche verbannt. Das Missale Romanum war ja nur noch gut genug, um aus ihm den Kanon zu schneiden und nun war alles übrige nur noch in deutscher Sprache zu hören.

Als Schüler traf mich dieser Kahlschlag meiner Lieblingssprache sehr. Ich hatte schon immer einen „Schott“ gehabt und deswegen gab es keine Verständnisschwierigkeiten in der Liturgie. Später dann, als ich Latein lernte, bekam ich von meinem geistlichen Onkel eine Taschenausgabe des Missale Romanum geschenkt. Damit war man in der Liturgie der Kirche zu Hause. Völlig unverständlich war mir, daß wir als „Altsprachler“ nun auf einmal kein Latein mehr hören durften. Die lateinische Messe war zugleich ja auch eine gute Übung in der Sprache Roms. Als ich das einmal einem Pater, der später den Orden verlassen hat, sagte, bekam ich die Antwort, ich sei ja mit dem „Choralheini“ verwandt und müsse so denken – eine Anspielung auf den Kirchenmusiker-Onkel, der sich damals öffentlich für Choral und Latein einsetzte und deswegen nicht wenig an Schelte einstecken mußte.

In diesen Jahren kam ein neuer Präfekt, also der zuständige Pater für das Internat. Er sang selbst gerne und wir haben hin und wieder dann doch einmal ein lateinisches Hochamt singen können. Aber das war die Ausnahme! Ich sammelte alles, was über die lateinische Sprache in den erreichbaren Zeitungen gesagt wurde. In einer dicken Kladde, die auf dem Titelblatt die Worte „Summaria latina“ stehen hatte, entstand so etwas wie ein geistiges Tagebuch dieser Zeit. Dort ist z. B. der Aufruf Pater Seipolts zugunsten des Lateins zu finden; Seipolt war damals bekannt durch seine humorvollen Bücher über die Kirche. Unter dem Titel „Dominus vobis“ trat er für das Überleben des Lateins in der Kirche ein. Aber erst „Die zerissene Tunika“ aus der Feder Tito Casinis entfachte die Diskussion zugunsten des Lateins in der Kirche neu (8). Natürlich las ich diese Bücher, deren Zahl sich bald mehrte, nicht im Internat, sondern in den Ferien.

Da ich als Schüler auch oft Probleme mit manchen Fächern hatte, wollte ich die Lehrer nicht verärgern. Einmal habe ich, so erinnere ich mich, ein Wort des hl. Thomas von Aquin, das Casini angeführt hatte, ausgerechnet unserem Mathematiklehrer in einer Diskussion entgegengehalten. Der Kirchenlehrer sagt, die Gläubigen brauchen nicht alles verstehen, was sie singen. Es genüge, daß die wissen, daß es zum Lobe Gottes geschieht – dann würde sich auch der Geist erheben (9). Der Pater horchte auf und wollte unbedingt wissen, woher ich dieses Zitat hätte. Ich habe es ihm nicht gesagt – das Argument hat ihn wohl nicht unbeeindruckt gelassen. Unterstützung erhielten die, die das Konzil richtig auslegten, im Juni 1968 von Kardinal Frings. Er warnte im Kölner Dom vor einer deutschen Eingleisigkeit im Kult und erinnerte mit Nachdruck an die Weisungen des Konzils.(10)

8 Zürich 1967.
9 ebd. 60.
10 Predigt zur Priesterweihe (Kirchenzeitung Köln vom 11. Juni 1968).

(Dr. theol. Joseph Overath)


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen