Ein Sakristan erlebt die
Liturgiereform. Von Pfarrer Dr. Joseph
Overath.
(Hervorhebungen von mir)
Die für die meisten
Kirchgänger deutlichste Reform des II. Vatikanums war die Liturgiereform. Der
Verfasser dieser Zeilen besuchte von 1963
bis 1971 das altsprachliche Heilig-Geist-Gymnasium der Spiritanermissionare in
Broichweiden bei Aachen. Es war üblich, daß jeder interne Schüler ein „Amt“
hatte, d.h. die anfallenden Hausarbeiten wurden neben der Schule von Schülern
bestritten. Diese „Ämter“ wurden auch vergeben unter dem Aspekt der
Disziplinierung; so war die Zuteilung des „Amtes“ der Toilettenreinigung sicher
auch ein Mittel, unbequeme Schüler zu strafen. Im fraglichen Zeitraum zwischen
1963 und 1968 war ich des öfteren Sakristan, aber auch wegen Maßnahmen der
Disziplinierung mit dem „Amt“ des Toilettenreinigers befaßt. Die Liturgiereform konnte ich aus erster
Hand miterleben. Der Titel drückt aus, daß damals das überlieferte Meßbuch
buchstäblich zerschnitten wurde und an seine Stelle mehr fliegende Blätter
kamen. Schließlich war für lange Zeit so etwas wie ein „Sacramentarium Mimeographicum“ (ein Sakramentar, das aus
abgezogenen, vervielfältigten Blättern bestand) in Gebrauch. Das neulateinische
Wort „mimeographia“ meint Matritze.
Es geht nicht um Erinnerungen, sondern um die
Aufzählung der damaligen Ereignisse – dabei stütze ich mich auf Tagebücher, auf
Material aus dem Familienbesitz, auf Bücher und Hefte, die damals Widerstand
gegen die Reform anmeldeten, insoweit sie nicht durch die Konzilstexte selbst
legitimiert war.
Ein erstes Stichwort ist
das Konzil selbst. Daß ein Konzil in Rom stattfand, hörten wir oft in den
Sonntagspredigten. Dort wurden alle Reformwünsche ausgebreitet, die im Klerus
vorhanden waren. Es kamen auch Witze auf, die die Sache auf den Punkt brachten:
beim günstigen Ausgang des Konzils etwa, könne der Pfarrer seine Köchin
heiraten; oder später bei der Liturgiereform hieß es „Lasset uns schon mal
blättern“ – der arme Zelebrant wußte nicht, wie es weiterging in der heiligen
Handlung. Hubert Jedin hatte bereits 1959 seine „Kleine Konziliengeschichte“ (1) herausgegeben, die ich später als Gymnasiast
gelesen habe. Dort heißt es: „Kein Irrtum unserer Zeit ist schwerwiegender als
die Verzerrung, ja Vernichtung des christlichen Menschenbildes unter dem
Einfluß atheistischer Gesellschaftslehren. Keine Glaubenswahrheit verlangt in
unserer 'Zeit der Kirche' so sehr nach einer Präzisierung wie der
Kirchenbegriff“.
Die Wünsche und Erwartungen waren hoch, nachdem der sel. Johannes XXIII. das II. Vatikanum einberufen hatte. Dessen Eröffnung am 11. Oktober 1962 wurde vom Fernsehen übertragen; doch ein Fernseher war damals nicht in jeder Wohnung vorhanden. Wir versammelten uns bei einem Onkel und schauten gemeinsam die Feier an. Man war beeindruckt von der großen Zahl der Bischöfe, die in den Petersdom zogen – man kannte ja einen Bischof nur von der Firmung her, dann auch von gelegentlichen Besuchen im Kölner Dom.
Aber das Konzil war nicht ein fernes Ereignis. Mein geistlicher Onkel, Prälat Johannes Overath, war die ganze Konzilszeit über als Peritus tätig mit dem Arbeitsschwerpunkt Kirchenmusik. Er schenkte uns Kindern immer die wertvollen Briefumschläge mit den Vatikanmarken und dem lateinischen Absender „Sacrosanctum Concilium Vaticanum secundum“. Später dann brachte er uns Stimmkarten mit, Lochkarten aus Probeabstimmungen. All das wurde gehütet wie ein heiliger Schatz – bis heute. 1963 ging es als Interner nach Broichweiden. Im gleichen Jahr feierten die Eltern ihre Silberhochzeit und pilgerten nach Rom. Sie waren anwesend bei der Eröffnung der II. Session der Kirchenversammlung – bis heute liegt noch der deutsche Text Papst Paul VI. vor, damals wohl für die Presse hektographiert (2).
Die Wünsche und Erwartungen waren hoch, nachdem der sel. Johannes XXIII. das II. Vatikanum einberufen hatte. Dessen Eröffnung am 11. Oktober 1962 wurde vom Fernsehen übertragen; doch ein Fernseher war damals nicht in jeder Wohnung vorhanden. Wir versammelten uns bei einem Onkel und schauten gemeinsam die Feier an. Man war beeindruckt von der großen Zahl der Bischöfe, die in den Petersdom zogen – man kannte ja einen Bischof nur von der Firmung her, dann auch von gelegentlichen Besuchen im Kölner Dom.
Aber das Konzil war nicht ein fernes Ereignis. Mein geistlicher Onkel, Prälat Johannes Overath, war die ganze Konzilszeit über als Peritus tätig mit dem Arbeitsschwerpunkt Kirchenmusik. Er schenkte uns Kindern immer die wertvollen Briefumschläge mit den Vatikanmarken und dem lateinischen Absender „Sacrosanctum Concilium Vaticanum secundum“. Später dann brachte er uns Stimmkarten mit, Lochkarten aus Probeabstimmungen. All das wurde gehütet wie ein heiliger Schatz – bis heute. 1963 ging es als Interner nach Broichweiden. Im gleichen Jahr feierten die Eltern ihre Silberhochzeit und pilgerten nach Rom. Sie waren anwesend bei der Eröffnung der II. Session der Kirchenversammlung – bis heute liegt noch der deutsche Text Papst Paul VI. vor, damals wohl für die Presse hektographiert (2).
1 Hubert Jedin: Kleine Konziliengeschichte. Die
zwanzig Ökumenischen Konzilien im Rahmen der Kirchengeschichte. Freiburg
1959, 130.
2 Sacrosanctum Oecumenicum Concilium Vaticanum II:
Constitutiones, Decreta, Declarationes. Vatikanstadt 1966, 992 ff.
(Dr. theol. Joseph Overath)
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