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Freitag, 16. August 2013

Über Johannes XXIII.

(Hervorhebungen von mir)

Der Schweizer Diplomat Carl Jakob Burckhardt
über Papst Johannes XXIII.:

„Ich empfinde viel Anteil für den Papst. Während meiner ganzen Pariser Zeit hatte ich sehr viel persönlichen Kontakt mit ihm, ich hatte ihn ausgesprochen gern.

Er ging in die Welt wie ein junger Attache, man traf ihn überall, vor allem auch im M. R. P.-Salon der erstaunlichen Madame Abrami. Wiederholt ließ er mich in die Nuntiatur kommen, oder er suchte mich auf, wir führten eingehende Gespräche, meist sachlicher Art über zu erledigende Aktualitäten.

Er ist weltklug, hätte einen industriellen Konzern leiten können, er ist ein äußerst wohlmeinender und bauernschlauer Bergamaske, er ist von solider Frömmigkeit, im abgekürzten Stil; - aber mir scheint, sein gesunder Menschenverstand - auf kurze Sicht genau, auf lange Sicht wohl nicht sehr scharf - lasse ihn den Wert gewisser unzeitgemäßer, spezifisch katholischer Arkane verkennen. Die Fähigkeit des Wunderglaubens, die Scheu vor dem Sakralen sind seine Sache nicht.

Er ist ein gottesgläubiger Rationalist, mit schönstem Streben der sozialen Gerechtigkeit dienend, wobei er die Neigung hat, allen ähnlichen Bestrebungen aus ganz entgegengesetzten Lagern weitgehend die Hand zu reichen. Es ist, ohne daß er es weiß, viel vom Gedankengut des 18. Jahrhunderts in ihm, mit einer nachwirkenden Risorgimentostimmung verbunden.

Er ist gütig, offen, humorvoll, sehr fern vom christlichen Mittelalter; auf dem Wege über die französischen „Philosophen" ist er zu ähnlichen Ergebnissen gelangt wie die Reformatoren, ohne ihre metaphysische Passion.

Er wird viel verändern, nach ihm wird die Kirche nicht mehr dieselbe sein. Vielleicht wird er am Ende seiner Tage die Furcht kennen lernen.

Liebenswert, auch bewundernswert bleibt er."

Aus: Briefwechsel zwischen Max Rychner und Carl J. Burckhardt, herausgegeben von Claudia Mertz-Rydmer (S. Fischer Verlag).

(Quelle: Una Voce Korrespondenz 1973, 147)

Zu Carl Jakob Burckhardt siehe Wikipedia



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