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Samstag, 4. Oktober 2014

Buchbesprechung: Botschaft von Gottes Güte

Äbtissin Maria Hildegard Brem (Hg.)
Botschaft von Gottes Güte
lateinisch - deutsch Band 1: Buch 1 & 2
Autor: Gertrud von Helfta
Lateinischer Originaltitel: Legatus divinae pietatis
Hardcover Format 22,6 x 15,2 cm,  287Seiten
Be&Be-Verlag: Heiligenkreuz 2014,
ISBN: 978-3-902694-57-7
Preis: 27,90 Euro
http://www.klosterladen-heiligenkreuz.at/botschaft-von-gottes-gute.html



Das mir zur Besprechung vorliegende Buch der Äbtissin des Zisterzienserinnenklosters Mariastern-Gwiggen, Maria Hildegard Brem, hat mit „Gertrud von Helfta. Botschaft von Gottes Güte“ für das wichtigste Werk der heiligen Gertrud einen anderen Titel gewählt als denjenigen, der über mehr als hundert Jahre hinweg üblich war. Diese Schrift unserer Heiligen, das in Latein abgefasste Werk „Legatus“, wurde bisher mit „Gesandter der göttlichen Liebe“ in deutscher Sprache übersetzt und bekannt. Was hat die Zisterzienseräbtissin also bewogen, einen anderen Titel zu wählen als jenen, der seit 1876 in unsere Muttersprache eingeführt ist? Wollte sie etwa  einen „Aufbruch zu neuer Gottesrede“ wagen, wie  Siegfried Ringler sein im Jahre 2008 im Grünewald-Verlag erschienenes Buch über die Mystik der Gertrud von Helfta  nannte? Mitnichten. In ihrer Einleitung geht sie darauf ein.

Mit ihrer Neuübersetzung will sie „den Lesern die übergroße Güte Gottes nahebringen“. Der Leser soll mit Gertruds Texten zu Christus geführt werden, durch Begegnung, Freundschaft und Liebe mit ihm. Gerade der heutige Mensch soll, das ist das Hauptanliegen der Herausgeberin, sozusagen an der Hand der Heiligen, einen Weg ins eigene Innere und zur Begegnung mit Gott erschlossen werden.  Denn Gertrud war ein ganz „normaler“ junger Mensch, ohne besondere Verdienste und Frömmigkeit. Sie wurde von Gott gerufen und sie wurde von ihm geführt. Jeder, der sich auf Gott und Gertruds Texte einlässt kann sich in ihnen selbst erkennen und vielleicht auch die Schritte mit der Heiligen mitzugehen versuchen, so, wie sie geführt wurde, sich selbst führen zu lassen.

In ihrer geistlichen Hinführung schreibt Äbtissin Hildegard Brem, indem sie auch den Herausgeber der kritischen lateinisch-französischen Ausgabe der Sources Chrétiennes zitiert, dass es ein Missverständnis sei, wenn Biografen und Moralisten es nicht unterließen, von Übertreibungen (im Leben vieler Heiliger) zu sprechen. Es gehe nicht darum, sich einem Vollkommenheitsideal gegenüberzustellen, das es mit aller Anstrengung zu erreichen gelte. Die Armseligkeit des Menschen liege ja nicht auf der Ebene von Tugend und Absicht, denn viel „tiefer und absoluter“ sei „die Armseligkeit seines Daseins“ und zwar in der „lebendigen Gegenwart des göttlichen Daseins“. Somit wird das eigene Leben nur im Lichte der Begegnung mit Gott deutlich und verständlich. Wie schwierig dieser Weg ist, wissen jene, die sich auf denselben begeben haben. Aber der Beginn des Weges mit Gott, um den es hier ja geht, sichert noch nicht auch sofort das Ankommen. Schwierigkeiten mancher Art werden vielleicht wie abstürzende Steine, Felsen oder gar Gerölllawinen den Weg versperren. Auch Gertrud war unzufrieden mit sich selbst, wenn sie nicht mehr weiter wußte. Doch nie verlor sie ihren Mut. „Ihre Grenzen veranlassen sie nicht, sich immer mehr in sich zu verschließen, sondern sich immer weiter für Gott zu öffnen, dessen Erbarmen sie braucht.“ Dieses Wort kann die Gottsuchenden anspornen, sich auch auf diesen Weg der Erfahrung Gottes einzulassen. Dazu sind jedoch schonungslose Aufrichtigkeit und selbstkritische Überlegungen absolute Notwendigkeit.

Die Herausgeberin des Buches versucht mit ihrer Neuübersetzung eine Sprache zu finden, die heutigen Menschen verständlich ist. Gertrud und manch anderen Heiligen jener vergangenen Jahrhunderte, die ihr Erleben und Fühlen in einer Sprache abbildeten, die sich etwa auch vieler Begriffe aus dem Geschmacksinn bedienten, um ihr inneres Empfinden auszudrücken, werden vielleicht nicht mehr recht verstanden. Äbtissin Hildegard Brem wählt neue Sprachmöglichkeiten aus. Dabei ist es, für den des Lateinischen kundigen, möglich, ihre Übersetzungen zu prüfen, um noch näher an den geistlichen Inhalt des von Gertrud gemeinten heranzukommen. Der lateinische Text ist jeweils der deutschen Übersetzung gegenübergestellt, so dass ein Vergleich leicht möglich ist.

Jenen, die geübt sind im Lesen mittelalterlicher aszetischer und mystischer Texte, mögen bedauern, dass ihnen hier die gewohnte Sprache abhanden gekommen ist. Äbtissin Hildegard Brem hat aber versucht in ihrer Übersetzung, die im Text „verborgenen Erfahrungen mit anderen Worten“ zu umschreiben. Das ist ihr auch weitgehend gelungen. Doch kann man auch fragen, warum sie von „ganzheitlicher Spiritualität“ spricht. Sind nicht „Ganzheitlichkeit“ und „Spiritualität“ heute nicht vielbenutztes Modeworte, die auch in psychologischer und esoterischer Literatur Verwendung finden? Könnte z. B. für Spiritualität nicht das alte, aber doch alles aussagende Wort „Frömmigkeit“, die eine scheinbar verlorene Kunst ist, nicht besser benutzt werden? Man kann der Herausgeberin zu gute halten, dass „Frömmigkeit“ für moderne Menschen ein doch eher „verstaubter Begriff“ ist, der manchmal selbst den an geistlichen und religiösen Texten interessierten Leser abschrecken mag. Viel „moderner“ klingt da doch der Begriff „Spiritualität“. Nicht alle vermeintlichen Hürden auf dem Weg zu Gott mit der Erfahrung von Geborgensein, Freude und Geliebtsein beseitigt werden. Ist des Christen Weg nicht auch ein Kreuzweg? Gibt es nicht doch auch Sünde, Schuld und Tod? Gott ist auch der Strenge und der Gerechte, er ist der Richter. In Gertruds Texten wird, wer sich darauf einlässt,  mit Gottes Gnade einen großen Gewinn für sein Leben erzielen können. So ist dem Buch eine weite Verbreitung zu wünschen.

Dem ersten Band der Botschaft von Gottes Güte, der die ersten beiden Bücher von Gertruds „Legatus“ umfasst, möge bald auch Band 2, der ihre übrigen Bücher beinhalten wird, folgen. Der Verlag möge dazu prüfen, ob nicht die jeweiligen Seiten, die die deutsche Übersetzung beinhalten, der besseren Lesbarkeit halber in einem etwas kräftigeren oder größeren Druck erscheinen können.


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2 Kommentare:

  1. Sehr geehrter Herr jos.m.betle!
    Welche Übersetzung würden Sie als "Alte-Messe-Molch" bevorzugen?
    Mit freundlichem Dank
    Eugenie Roth

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  2. Ihre Frage ist gut, Frau Eugenie Roth. Ehrlich gesagt bevorzuge ich weiterhin die alte Übersetzung "Gesandter der göttlichen Liebe". Deswegen, weil mir diese Sprache geläufig ist und gewohnt. Natürlich hat das auch mit der Alten Messe zu tun, denn Zitate aus dem "Gesandten", die die Liturgie betreffen, finden sich ebendort. Dennoch ist die neue Übertragung nicht schlecht. Sie richtig sich zuforderst an solche Menschen, die Gertrud noch nicht kennen und gerne einmal eine mystische Schrift aus dem Mittelalter lesen wollen. Außerdem steht der deutschen Übersetzung der Zisterzienseräbtissin Hildegard aus Mariastern der lateinische Text dabei. Der wiederum ist für wissenschaftliches Arbeiten unerläßlich. Bald soll der 2. Band erscheinen, auf den ich mich freue.

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