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Donnerstag, 12. Februar 2015

Immer wieder aktuell: Einführung in das liturgische Jahr


Dom Prosper Guéranger
Einführung in das liturgische Jahr

Reihe: Studien zur monastischen Kultur-Band 8

EOS Verlag  2014
220 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-8306-7648-5
19,95 EURO


Französische Neuausgabe 1995
Deutsch 2014


Man kann den Namen des ersten Abtes von Solesmes nicht nennen, ohne seine Arbeiten über die Liturgie zu erwähnen. Von allen Werken Dom Prosper Guérangers ist sein mehrbändiges Werk „Das Kirchenjahr“ in Deutschland am bekanntesten. Der Anlass, der ihn zum Verfasser des in alle Sprachen übersetzten liturgischen Standardwerkes werden ließ, war folgende Problematik innerhalb des französischen Katholizismus: Sogenannte „neo-gallikanische“ Liturgien, die sich aus dem Protestantismus und dem Jansenismus entwickelt hatten, waren weit verbreitet. Es entstanden Neuschöpfungen, die an die Stelle der liturgischen Tradition gesetzt wurden. Der geneigte Leser dieser Rezension wird in folgendem Zitat Guérangers leicht erkennen, was damit gemeint ist – und sich ohne weiteres in der Situation der heutigen katholischen Kirche wiederfinden. Dom Guéranger nennt jene, die sich den „Neo-Gallikanern“ angeschlossen haben, „anti-liturgische-Sekte“. Er beschreibt drei Prinzipien:

„Um eine Vorstellung von den verheerenden Auswirkungen der anti-liturgischen Sekte zu vermitteln, schien es uns notwendig zusammenzufassen, welchen Weg die vorgeblichen Reformatoren der Christenheit seit drei Jahrhunderten eingeschlagen haben, und in einem Gesamtbild zu zeigen, was sie zur Reinigung des Gottesdienstes taten und lehrten. Nichts ist aufschlußreicher und geeigneter, um die Ursachen der schnellen Ausbreitung des Protestantismus verstehen zu lassen. Man wird hierbei eine diabolische Klugheit am Werk sehen, die sichere Schläge vollführt und unweigerlich weitreichende Konsequenzen nach sich zieht.“ (Institutions Liturgiques, zit. nach UVK 3/2010)
Als zweites Prinzip der anti-liturgischen Sekte nennt Guéranger die Einführung von Lesungen aus der Heiligen Schrift, die jene von der Kirche geprägten Formeln ersetzten. Durch diese Maßnahmen wird zum einen die Stimme der Tradition zum Verstummen gebracht, was diese Sekte am meisten fürchtet; und zum anderen ist dies ein Mittel, um ihre neue Lehre verbreiten zu können. „Das dritte Prinzip der Häretiker bezüglich der Reform der Liturgie ist folgendes: nachdem sie die kirchlichen Formeln beseitigt und verkündet hatten, es sei absolut unerläßlich, im Gottesdienst nur Worte der Schrift zu verwenden, dann aber erkennen mußten, daß sich die Schrift nicht immer, wie sie es wünschten, all ihren Absichten fügte, besteht ihr drittes Prinzip darin, verschiedene Formeln zu fabrizieren und einzuführen, die voller Perfidie sind und die Völker noch fester an den Irrtum ketten, so daß das ganze Gebäude der ruchlosen Reformatoren für Jahrhunderte gefestigt sein wird.“ (Institutions Liturgiques, zit. nach UVK 3/2010)

Hier wird also eine Situation beschrieben, die uns Heutigen bekannt vorkommt. Große Revolutionen hatten damals in Frankreich die Grundfesten der Kirche und des Glaubens in Erschütterung versetzt. Der Abt der großen Benediktinerabtei sammelte das vom Vergessen bedrohte Wissen und stellte es im Rahmen der Tradition wieder her. Er war ein Neuerer, der der vielfältigen liturgischen Zersplitterung Frankreichs die Stirn bot und den traditionellen gallikanischen Bestrebungen eine entschiedene Treue zum päpstlichen Primat entgegen stellte. Auch heute finden wir uns in einer kirchlichen Revolutionszeit wieder. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurden viele Bereiche katholischen Lebens zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verändert. Besonders sehen wir das im Liturgischen Leben. Viele einstmals zum pfarrlichen Leben gehörende Formen wie z. B. Andachten und Vespern, der Kreuzweg und Wallfahrten sind fast gänzlich verschwunden und der Lächerlichkeit anheimgegeben worden. Allenfalls Wallfahrten stehen heute wieder hoch im Kurs, aber eher unter dem Aspekt der „Selbstfindung“ im Sinne von „Ich bin dann mal weg“. Kreuzwegandachten und das Rosenkranzgebet in einer Pfarrei werden allenfalls noch von einigen unverbesserlichen Alten am Leben gehalten. Doch vor allem ist es die heilige Liturgie, die mit dem Konzilsende zur Verwüstung freigegeben worden ist. Reichlich Gebrauch wurde davon gemacht, nicht nur in ihrem Zentrum, dem heiligen Messopfer, auch bei allen anderen liturgischen Handlungen. Umso dankbarer ist der Rezensent, mit dem vorliegenden Buch – „Einführung in das liturgische Jahr“ von Dom Guéranger – auf die Schönheit des liturgischen Kirchenjahres sowie auf die Bedeutung für das katholische Leben verweisen zu dürfen.

Dom Prosper Guéranger begann als Abt des 1833 von ihm neu errichteten Benediktiner-Klosters von Solesmes im Jahr 1841 mit den Arbeiten an „Das Kirchenjahr“. Von den 15 Bänden, die „Das Kirchenjahr“ schließlich umfasste, konnte Dom Guéranger bis zu seinem Tod 1875 erst neun vollenden. Die restlichen sechs Bände, über die Zeit nach Pfingsten, wurden von seinem engen Mitarbeiter Dom Lucien Fromage verfasst.

Erst im Jahr 1874, also ein Jahr vor dem Tod des Abtes, erschien die Übersetzung des ersten Bandes der ebenfalls 15 Bände umfassenden deutschen Ausgabe. Die Approbation erteilte der Mainzer Generalvikar Dr. J. B. Heinrich. In seinem Vorwort zum ersten Band schrieb er: „Die Idee des gegenwärtigen Buches ist die großartigste und segensreichste, die gedacht werden kann: Die Liturgie der katholischen Kirche in ihrer ganzen Vollständigkeit, nicht nur den Priestern, sondern allen Christen, so darzustellen und zu erklären, dass sie in ein tieferes Verständnis derselben eingeführt und zugleich angeleitet werden, dieselbe betend und betrachtend mitzufeiern.“ So wurde „Das Kirchenjahr“ für Generationen von Katholiken neben dem „Schott“ zu einem wichtigen Gebet- und Andachtsbuch. Leider ist die komplette Ausgabe von „Das Kirchenjahr“ auch antiquarisch kaum zu erwerben. Auch in Bibliotheken ist dieses Standardwerk, ebenso wie viele andere liturgische Bücher, nicht mehr vorhanden, weil sie in den wirren Zeiten der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts  entweder „entsorgt“ wurden oder in Missionsländer verschenkt worden sind.

In seiner Reihe „Studien zur monastischen Kultur“ hat der EOS-Verlag in St. Ottilien mit Band 8 also die „Einführung in das liturgische Kirchenjahr“ von Dom Guéranger vorgelegt. Dabei handelt es sich um die Übersetzung der im Jahre 1995 erschienen französische Ausgabe der „Introduction à l'Année Liturgique“.

Diese „Einführung in das liturgische Jahr“ ist eine Auswahl von grundlegenden Einführungen in die jeweiligen liturgischen Jahreszeiten, die „Das Kirchenjahr“ entnommen sind: Advent, der Weihnachtszeit, der Vorfasten-, Fasten- und Passionszeit, sowie der österlichen Zeit und der Zeit nach Pfingsten. Der französische Benediktinermönch und Guéranger-Biograf Dom Louis Soltner schrieb dazu eine Hinführung. Ihr ist zu entnehmen, dass es in Solesmes die Diskussion gab, ob „Das Kirchenjahr“ der Liturgie des Novus Ordo angepasst werden sollte. Man kam zu der Einsicht, das „klassische Werk“ unverändert zu lassen. Freilich hat man dennoch die eine oder andere Anleihe an die Liturgiereform gemacht. So wurde etwa der Beginn des Abschnitts über die Vorfastenzeit – die der neue Kalender nicht mehr kennt – künstlich in die Vergangenheitsform gesetzt: „Als Vorfastenzeit bezeichnete man [vor der Liturgiereform] die drei Wochen, die unmittelbar der eigentlichen Fastenzeit vorausgehen.“ Auch wird in der Übersetzung von Wilhelm Hellmann der Sonntag Septuagesima (der erste Sonntag der Vorfastenzeit) an einer Stelle als „Sonntag Septuaginta“ bezeichnet, wobei die Septuaginta natürlich die griechische Version des Alten Testaments ist.

Dom Guéranger unterteilte seine Einführungen in die liturgischen Zeiten in „Historische Fakten“, „Theologische Deutung“ und „Christliche Praxis“. Wenn nun die historischen Teile nicht mehr ohne Weiteres den heutigen Wissensstand vermitteln, so sind die theologischen Deutungen und vor allem die Hinweise zur christlichen Praxis nahezu zeitlos. Dem frommen Leser werden sich schnell Zugänge zur eigenen Lebens- und Glaubenspraxis erschließen. Und der Leser erfährt von längst nicht mehr verstandenen Riten, die aber so wichtig und notwendig sind, um auch und gerade im Alltag ein gottgefälliges Leben führen zu können. Hier sind vor allem auch die Bischöfe und Priester gefordert, die Lehrer der Theologie, die Gläubigen hinzuführen zum Geheimnis des Lebens, das ja darin besteht, Gott immer an erster Stelle zu ehren.

Für die christliche Praxis der österlichen Zeit schreibt Dom Guéranger aus heutiger Sicht beinahe prophetisch: „Das Osterfest löst nicht mehr die gleichen Gefühle in der Bevölkerung aus. Es ist nicht zu bezweifeln, dass der Grund dafür auch in der Trägheit und der falschen Bewusstseinslage der Menschen liegt, die sich in überwiegender Zahl dem Fastengebot gegenüber so verhalten, als bestünde es gar nicht. Daher kommt es auch, dass so viele Gläubige dem Ostertag sicherlich als einem großen Festtag entgegensehen, aber verständnislos dem Eindruck der tiefen Freude gegenüberstehen, die die Kirche in allen Gesten und Riten am Ostertag zum Ausdruck bringt.“ – An dieser Stelle müssen wir uns allerdings fragen, ob die moderne Liturgie für diese angesprochene und gemeinte Ausdrucksweisen überhaupt noch die entsprechenden Mittel (Riten, Texte, Musik) anzubieten hat. – Weiter heißt es, und damit wird das Eingefügte klar: „Und noch weniger sind sie bereit, diese Freude der Kirche fünfzig Tage lang in ihrem eigenen Herzen zu bewahren und aufrechtzuerhalten, wenn sie überhaupt an dem Tag, den echte Christen herbeisehnen, auch nur einen Anflug von Osterfreude verspürt haben. Derartige Christen hatten während der vierzig Tage weder gefastet noch Abstinenz geübt. Das Entgegenkommen der Kirche bezüglich der Fast- und Abstinenzregeln war für sie noch nicht weit genug gegangen. Sie hätten einen totalen Dispens gebraucht!“

Sein Vorwort zum Gesamtwerk begann Dom Guéranger 1841 mit den Worten: „Das Gebet ist für den Menschen das höchste Gut.“ Mit der „Einführung in das liturgische Jahr“, welche der EOS-Verlag dankenswerterweise auch in deutscher Sprache herausgebracht hat, wird es uns erleichtert, dieses Ideal ebenfalls zu verwirklichen.

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Eine aktuelle Ausgabe in portugiesischer Sprache.

Die tridentinische Messe,
Erläuterungen der Gebete und Zeremonien,
von Dom Prosper Gueranger

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