Einführung in das liturgische Jahr
Reihe: Studien zur monastischen Kultur-Band 8
EOS Verlag 2014
220 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-8306-7648-5
19,95 EURO
Französische Neuausgabe 1995
Deutsch 2014
Man kann den Namen des ersten Abtes von Solesmes nicht nennen, ohne seine Arbeiten über die Liturgie zu erwähnen. Von allen Werken Dom Prosper Guérangers ist sein mehrbändiges Werk „Das Kirchenjahr“ in Deutschland am bekanntesten. Der Anlass, der ihn zum Verfasser des in alle Sprachen übersetzten liturgischen Standardwerkes werden ließ, war folgende Problematik innerhalb des französischen Katholizismus: Sogenannte „neo-gallikanische“ Liturgien, die sich aus dem Protestantismus und dem Jansenismus entwickelt hatten, waren weit verbreitet. Es entstanden Neuschöpfungen, die an die Stelle der liturgischen Tradition gesetzt wurden. Der geneigte Leser dieser Rezension wird in folgendem Zitat Guérangers leicht erkennen, was damit gemeint ist – und sich ohne weiteres in der Situation der heutigen katholischen Kirche wiederfinden. Dom Guéranger nennt jene, die sich den „Neo-Gallikanern“ angeschlossen haben, „anti-liturgische-Sekte“. Er beschreibt drei Prinzipien:
„Um eine Vorstellung von den verheerenden Auswirkungen
der anti-liturgischen Sekte zu vermitteln, schien es uns notwendig
zusammenzufassen, welchen Weg die vorgeblichen Reformatoren der Christenheit
seit drei Jahrhunderten eingeschlagen haben, und in einem Gesamtbild zu zeigen,
was sie zur Reinigung des Gottesdienstes taten und lehrten. Nichts ist
aufschlußreicher und geeigneter, um die Ursachen der schnellen Ausbreitung des
Protestantismus verstehen zu lassen. Man wird hierbei eine diabolische Klugheit
am Werk sehen, die sichere Schläge vollführt und unweigerlich weitreichende
Konsequenzen nach sich zieht.“ (Institutions Liturgiques, zit. nach UVK
3/2010)
Als zweites Prinzip der anti-liturgischen Sekte nennt Guéranger
die Einführung von Lesungen aus der Heiligen Schrift, die jene von der Kirche
geprägten Formeln ersetzten. Durch diese Maßnahmen wird zum einen die Stimme
der Tradition zum Verstummen gebracht, was diese Sekte am meisten fürchtet; und
zum anderen ist dies ein Mittel, um ihre neue Lehre verbreiten zu können. „Das
dritte Prinzip der Häretiker bezüglich der Reform der Liturgie ist folgendes:
nachdem sie die kirchlichen Formeln beseitigt und verkündet hatten, es sei
absolut unerläßlich, im Gottesdienst nur Worte der Schrift zu verwenden, dann
aber erkennen mußten, daß sich die Schrift nicht immer, wie sie es wünschten,
all ihren Absichten fügte, besteht ihr drittes Prinzip darin, verschiedene
Formeln zu fabrizieren und einzuführen, die voller Perfidie sind und die Völker
noch fester an den Irrtum ketten, so daß das ganze Gebäude der ruchlosen
Reformatoren für Jahrhunderte gefestigt sein wird.“ (Institutions Liturgiques, zit. nach
UVK 3/2010)
Hier wird also eine Situation beschrieben, die uns Heutigen
bekannt vorkommt. Große Revolutionen hatten damals in Frankreich die
Grundfesten der Kirche und des Glaubens in Erschütterung versetzt. Der Abt der
großen Benediktinerabtei sammelte das vom Vergessen bedrohte Wissen und stellte
es im Rahmen der Tradition wieder her. Er war ein Neuerer, der der vielfältigen
liturgischen Zersplitterung Frankreichs die Stirn bot und den traditionellen
gallikanischen Bestrebungen eine entschiedene Treue zum päpstlichen Primat
entgegen stellte. Auch heute finden wir uns in einer kirchlichen
Revolutionszeit wieder. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurden viele
Bereiche katholischen Lebens zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Besonders sehen wir das im Liturgischen Leben. Viele einstmals zum pfarrlichen
Leben gehörende Formen wie z. B. Andachten und Vespern, der Kreuzweg und
Wallfahrten sind fast gänzlich verschwunden und der Lächerlichkeit
anheimgegeben worden. Allenfalls Wallfahrten stehen heute wieder hoch im Kurs,
aber eher unter dem Aspekt der „Selbstfindung“ im Sinne von „Ich bin dann mal
weg“. Kreuzwegandachten und das Rosenkranzgebet in einer Pfarrei werden
allenfalls noch von einigen unverbesserlichen Alten am Leben gehalten. Doch vor
allem ist es die heilige Liturgie, die mit dem Konzilsende zur Verwüstung
freigegeben worden ist. Reichlich Gebrauch wurde davon gemacht, nicht nur in
ihrem Zentrum, dem heiligen Messopfer, auch bei allen anderen liturgischen
Handlungen. Umso dankbarer ist der Rezensent, mit dem vorliegenden Buch –
„Einführung in das liturgische Jahr“ von Dom Guéranger – auf die Schönheit des
liturgischen Kirchenjahres sowie auf die Bedeutung für das katholische Leben
verweisen zu dürfen.
Dom Prosper Guéranger begann als Abt des 1833 von ihm neu
errichteten Benediktiner-Klosters von Solesmes im Jahr 1841 mit den Arbeiten an
„Das Kirchenjahr“. Von den 15 Bänden, die „Das Kirchenjahr“ schließlich
umfasste, konnte Dom Guéranger bis zu seinem Tod 1875 erst neun vollenden. Die
restlichen sechs Bände, über die Zeit nach Pfingsten, wurden von seinem engen
Mitarbeiter Dom Lucien Fromage verfasst.
Erst im Jahr 1874, also ein Jahr vor dem Tod des Abtes,
erschien die Übersetzung des ersten Bandes der ebenfalls 15 Bände umfassenden
deutschen Ausgabe. Die Approbation erteilte der Mainzer Generalvikar Dr. J. B.
Heinrich. In seinem Vorwort zum ersten Band schrieb er: „Die Idee des
gegenwärtigen Buches ist die großartigste und segensreichste, die gedacht
werden kann: Die Liturgie der katholischen Kirche in ihrer ganzen
Vollständigkeit, nicht nur den Priestern, sondern allen Christen, so
darzustellen und zu erklären, dass sie in ein tieferes Verständnis derselben
eingeführt und zugleich angeleitet werden, dieselbe betend und betrachtend
mitzufeiern.“ So wurde „Das Kirchenjahr“ für Generationen von Katholiken neben
dem „Schott“ zu einem wichtigen Gebet- und Andachtsbuch. Leider ist die
komplette Ausgabe von „Das Kirchenjahr“ auch antiquarisch kaum zu erwerben.
Auch in Bibliotheken ist dieses Standardwerk, ebenso wie viele andere
liturgische Bücher, nicht mehr vorhanden, weil sie in den wirren Zeiten der 70er-Jahre
des vergangenen Jahrhunderts entweder
„entsorgt“ wurden oder in Missionsländer verschenkt worden sind.
In seiner Reihe „Studien zur monastischen Kultur“ hat der
EOS-Verlag in St. Ottilien mit Band 8 also die „Einführung in das liturgische
Kirchenjahr“ von Dom Guéranger vorgelegt. Dabei handelt es sich um die
Übersetzung der im Jahre 1995 erschienen französische Ausgabe der „Introduction
à l'Année Liturgique“.
Diese „Einführung in das liturgische Jahr“ ist eine
Auswahl von grundlegenden Einführungen in die jeweiligen liturgischen
Jahreszeiten, die „Das Kirchenjahr“ entnommen sind: Advent, der Weihnachtszeit,
der Vorfasten-, Fasten- und Passionszeit, sowie der österlichen Zeit und der
Zeit nach Pfingsten. Der französische Benediktinermönch und Guéranger-Biograf Dom
Louis Soltner schrieb dazu eine Hinführung. Ihr ist zu entnehmen, dass es in
Solesmes die Diskussion gab, ob „Das Kirchenjahr“ der Liturgie des Novus Ordo
angepasst werden sollte. Man kam zu der Einsicht, das „klassische Werk“ unverändert
zu lassen. Freilich hat man dennoch die eine oder andere Anleihe an die
Liturgiereform gemacht. So wurde etwa der Beginn des Abschnitts über die
Vorfastenzeit – die der neue Kalender nicht mehr kennt – künstlich in die
Vergangenheitsform gesetzt: „Als Vorfastenzeit bezeichnete man [vor der
Liturgiereform] die drei Wochen, die unmittelbar der eigentlichen Fastenzeit
vorausgehen.“ Auch wird in der Übersetzung von Wilhelm Hellmann der Sonntag
Septuagesima (der erste Sonntag der Vorfastenzeit) an einer Stelle als „Sonntag
Septuaginta“ bezeichnet, wobei die Septuaginta natürlich die griechische
Version des Alten Testaments ist.
Dom Guéranger unterteilte seine Einführungen in die
liturgischen Zeiten in „Historische Fakten“, „Theologische Deutung“ und „Christliche
Praxis“. Wenn nun die historischen Teile nicht mehr ohne Weiteres den heutigen
Wissensstand vermitteln, so sind die theologischen Deutungen und vor allem die
Hinweise zur christlichen Praxis nahezu zeitlos. Dem frommen Leser werden sich
schnell Zugänge zur eigenen Lebens- und Glaubenspraxis erschließen. Und der
Leser erfährt von längst nicht mehr verstandenen Riten, die aber so wichtig und
notwendig sind, um auch und gerade im Alltag ein gottgefälliges Leben führen zu
können. Hier sind vor allem auch die Bischöfe und Priester gefordert, die Lehrer
der Theologie, die Gläubigen hinzuführen zum Geheimnis des Lebens, das ja darin
besteht, Gott immer an erster Stelle zu ehren.
Für die christliche Praxis der österlichen Zeit schreibt
Dom Guéranger aus heutiger Sicht beinahe prophetisch: „Das Osterfest löst nicht
mehr die gleichen Gefühle in der Bevölkerung aus. Es ist nicht zu bezweifeln,
dass der Grund dafür auch in der Trägheit und der falschen Bewusstseinslage der
Menschen liegt, die sich in überwiegender Zahl dem Fastengebot gegenüber so
verhalten, als bestünde es gar nicht. Daher kommt es auch, dass so viele
Gläubige dem Ostertag sicherlich als einem großen Festtag entgegensehen, aber
verständnislos dem Eindruck der tiefen Freude gegenüberstehen, die die Kirche
in allen Gesten und Riten am Ostertag zum Ausdruck bringt.“ – An dieser Stelle
müssen wir uns allerdings fragen, ob die moderne Liturgie für diese
angesprochene und gemeinte Ausdrucksweisen überhaupt noch die entsprechenden
Mittel (Riten, Texte, Musik) anzubieten hat. – Weiter heißt es, und damit wird
das Eingefügte klar: „Und noch weniger sind sie bereit, diese Freude der Kirche
fünfzig Tage lang in ihrem eigenen Herzen zu bewahren und aufrechtzuerhalten, wenn
sie überhaupt an dem Tag, den echte Christen herbeisehnen, auch nur einen
Anflug von Osterfreude verspürt haben. Derartige Christen hatten während der
vierzig Tage weder gefastet noch Abstinenz geübt. Das Entgegenkommen der Kirche
bezüglich der Fast- und Abstinenzregeln war für sie noch nicht weit genug
gegangen. Sie hätten einen totalen Dispens gebraucht!“
Sein Vorwort zum Gesamtwerk begann Dom Guéranger 1841 mit
den Worten: „Das Gebet ist für den Menschen das höchste Gut.“ Mit der
„Einführung in das liturgische Jahr“, welche der EOS-Verlag dankenswerterweise
auch in deutscher Sprache herausgebracht hat, wird es uns erleichtert, dieses
Ideal ebenfalls zu verwirklichen.
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Eine aktuelle Ausgabe in portugiesischer Sprache.
Die tridentinische Messe, Erläuterungen der Gebete und Zeremonien, von Dom Prosper Gueranger |
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