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Montag, 13. Mai 2013

Im Namen des sozialen Fortschritts: Stirb!

„Bei der geistigen, unheilbaren Krankheit Ihres Sohnes ist der Tod eine Erlösung für ihn und seine Umwelt."

Sätze wie dieser finden sich in zahlreichen standardisierten Schreiben, mit denen Angehörige der Opfer, die im Dritten Reich im Rahmen der „Aktion T4" ermordet wurden, über den Tod ihrer Kinder, Geschwister und Eltern in Kenntnis gesetzt wurden, die vom NS-Staat, aber auch weiten Teilen der deutschen Gesellschaft, als „nutzlose Esser" betrachtet worden waren.

(Der Historiker Götz Aly) vertritt die These, dass die Idee der Tötung von Menschen, die im Dritten Reich als minderwertig galten und als Last betrachtet wurden, von der man sich befreien müsse, keine ist, die nur oder überwiegend von Anhängern des Nationalsozialismus verfolgt würde.

„Für Sterbehilfe, humanen Tod oder sanfte Erlösung warben in den 1920er Jahren vielfach jene politisch Engagierten, die gegen Todesstrafe und Abtreibungsverbot auftraten, Frauenrechte forderten, den verpönten Selbstmord, begrifflich zum individuell gewählten Freitod läutern, Ehescheidungen und überhaupt freiere Lebensformen erleichtern wollten.

(...) Sie taten das im Namen des sozialen Fortschritts und eines nur mehr irdisch verstandenen Glücks."

Auch habe der „damit verbundene Wertewandel" nicht nur in Deutschland stattgefunden, auch wenn er „nirgendwo sonst zu derart radikalen Konsequenzen" gerührt habe. Insgesamt sei der Widerstand gegen die „Vernichtung unwerten Lebens" gering geblieben.

Ferner weist Aly nach, dass der Mord an den Belasteten ein offenes Geheimnis darstellte, das auch vielen Angehörigen der als „lebensunwert" Betrachteten nicht unbekannt war. In vielen Fällen waren sie sogar einverstanden.

Unverwechselbare Persönlichkeiten, das sind auch jene Menschen, denen heute interessierte Kreise - auch in Deutschland - den Weg aus dem Leben ebnen wollen. Erwogen wird dazu zwar nicht die Errichtung von Vernichtungslagern, wohl aber der Abbau ethischer und rechtlicher Normen.

(Aus: Stefan Rehder, „Das Verbrechen von morgen braucht keine Lager“, DT 54,2013)

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Götz Aly, Die Belasteten. ,Euthanasie' 1939-1945 - Eine Gesellschaftsgeschichte, S. Fischer Verlag Frankfurt am Main, 2013, 356 Seiten, EUR 22,00


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