Der Priester und Mönch
Gabriel Bunge wurde 1940 in Köln geboren und war seit 1962 Mitglied des
Benediktinerordens. Er trat, nachdem er ein philosophisches und theologisches
Studium in Bonn abgeschossen und den Doktorgrad erworben hatte, in das
birituelle (römisch-katholische und ostkirchliche Liturgie) Benediktinerkloster
Chevetogne in Belgien ein (vergleichbar mit der Abtei Niederalteich). Ebenfalls
vor seinem Ordenseintritt bereiste der junge Bunge Griechenland und besuchte
dort orthodoxe Klöster. Seit jener Zeit verband ihn eine große Nähe zur
Ostkirche und zu den Mönchsvätern des Ostens.
Im Jahre 1980 ging Pater Gabriel
Bunge mit Einverständnis seiner Oberen als Eremit in die Schweiz. Nun dem Abt
der Benediktinerabtei Einsiedel unterstellt, lebt er in der Eremitage „Heilig
Kreuz“ im Kanton Tessin, umgeben von Bergen in der Einsamkeit des Waldes. Besucher
empfängt er lediglich zu Weihnachten und Ostern.
„Pater Gabriel sieht sich
seither, wie er es einer Journalistin 1992 schilderte, monastisch so leben, wie
es im frühen Christentum vorgezeichnet sei. Für ihn sei der Rückzug in die
Abgeschiedenheit ebenso wichtig wie der Verzicht, um auf dem Lebensweg
Fortschritte zu machen. Armut, Keuschheit und Gehorsam seien die Leitlinien,
nach denen er lebe. Soziale Kontakte seien zwar nicht verboten, ihnen seien
aber strikte Grenzen gesetzt. Zu enge Kontakte zu Mitmenschen könnten zu
Spannungen führen, die den Einsiedler in Konflikte zögen. Und genau diese
Probleme menschlicher Beziehungen dürften in der Welt eines Eremiten keinen
Raum beanspruchen, so Pater Gabriel. Ein Eremit habe sich nicht von der Welt
verabschiedet, nur von ihrer Betriebsamkeit.“ (Ebba Hagenberg-Miliu, Allein ist
auch genug, Wie moderne Eremiten leben, Gütersloher Verlagshaus, 2013)
Der Benediktiner-Einsiedler
Gabriel studierte weiterhin neben der Heiligen Schrift, die Theologie und die
Traditionen des Mönchtums, insbesondere des östlichen Mönchstums und schrieb
viele Artikel und Bücher zu den Themen der Mönchsväter. Bunge wurde zu einem
anerkannten deutschen Theologen und Buchautor.
Für die katholische Welt
gänzlich überraschend, wurde Gabriel Bunge am 27. August 2010, in Moskau in die
russisch-orthodoxe Kirche (nicht mit der römisch-katholischen Kirche uniert) aufgenommen;
es war der Vorabend des orthodoxen Festes Mariä Entschlafung. Metropolit
Hilarion von Volokolamsk, der Vorsitzende für Außenbeziehungen des Moskauer
Patriarchats, begrüßte „Vater Gabriel“ herzlich mit den Worten: „Sie waren ein
Katholik, aber tief in Ihrem Herzen ein Orthodoxer. Heute, vor Beginn der
Nachtvigil, sind Sie Orthodox geworden, demzufolge hat auf natürliche Weise ein
langer geistlicher Weg seine Erfüllung gefunden."
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Metropolit Hilarion, Vater Gabriel Bunge, 27.8.2010 |
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Gabriel Bunge lebt
weiterhin in seiner Schweizer Einsiedelei |
Warum wurde Gabriel Bunge Russisch-Orthodox?
Dazu schreibt er selbst bereits im Jahre 2001 in „Rückkehr
zur Einheit“:
„Meine Entdeckung der Orthodoxie war kein intellektueller
Prozess, sondern ... eine Erkenntnis meines ganzen Lebens als Christ und als
Mönch. Als ich erstmals in Griechenland war, wo ich zwei glückliche Monate
verbracht habe, war ich einer der überzeugtesten und, das muß ich zugeben,
einer der stolzesten Katholiken. Die freundschaftlichen, aber gleichzeitig sehr
entschiedenen Auseinandersetzungen mit einem meiner orthodoxen Freunde, Iannis
Galanis, der heute ein bekannter Professor der Theologie ist, haben diese meine
Überzeugung erschüttert. Es zeigte sich, daß alles nicht so einfach ist. Wie
ich mich in den folgenden Jahren überzeugen konnte, existierte im Osten eine
wirklich apostolische Kirche, an deren Authentizität man nicht zweifeln kann.
Aber wie sollte mein Verhältnis zu ihr sein, wenn ich in Betracht ziehe, daß
sie keine Gemeinschaft mit der Römischen Kirche bildet?
Nach langer Suche und vielem Wanken habe ich endlich
begriffen, was mich damals, bei dieser ersten Begegnung (auf die viele weitere
folgten) so ergriffen hat: das war das Bekenntnis des Credo der Kirche, welches
über alle ethnischen, rechtlichen, "jurisdiktionellen" Teilungen das
wichtigste ausdrückt: nämlich die Treue zu diesen Kriterien der wahren Kirche.
Ihre Einheit (vor dem Angesicht einer Vielzahl von Sekten), ihre Heiligkeit
(die ausschließlich von Gott kommt, dem Einen Heiligen, von Dem, der heiligt),
ihre Katholizität (vor dem Angesicht rassischer, kultureller und ethnischer
Grenzen) und ihre Apostolizität (vor dem Angesicht von Gemeinschaften eines
beliebigen Typs, die ganz offensichtlich und nachweislich nicht auf der Basis
beruhen, welche Christus in Seinen Aposteln geschaffen hat, sondern ihre Jahre
von dem einen oder anderen "Reformator" zu zählen begannen).
Wenn wir nun von den Kriterien der wahren Kirche Christi
zur wahren Überlieferung übergehen, die ebenso "eine, heilig, katholisch
und apostolische" sein muß, so kommt alles letzten Endes in der berühmten
Formulierung des hl. Vinzenz von Lérins zusammen: wahrhaft katholisch ist das,
was man überall, immer und von allen geglaubt wurde (Quod ubique, quod semper,
quod ad omnibus creditum est). Was diesen Kriterien nicht entspricht, muß man
verwerfen.
Für einen römischen Katholiken scheint es als Frechheit
zu gelten, wenn er sich entschließt, seine Kirche an diesen Kriterien zu
messen, wenn man bedenkt, daß es für ihn genügt, in Gemeinschaft mit dem Papst
zu stehen und seinen Anweisungen zu folgen. Allerdings haben auch die römischen
Kanonisten immer einen häretischen Papstes für möglich gehalten, obwohl es nach
dem ersten Vatikanischen Konzil schwer ist, sich eine solche Figur
vorzustellen. (...)
Ich habe entdeckt, daß die Orthodoxe Kirche ... über
allen ethnischen und jurisdiktionellen Trennungen, über alle Konkurrenz und
allerlei Skandale hinweg diese absolute Priorität der Treue zur apostolischen
Überlieferung besitzt. Es genügt nicht, nur der Schrift treu zu sein, worauf ja
die Protestanten bestehen, die danach mit derselben Schrift machen, was sie
wollen, jeder auf seine Weise. Man kann die Schrift nicht von der Kirche
trennen. Der wahre Sinn der Treue zur Überlieferung ist auch nicht nur die
Bewahrung einer Reihe von Doktrinen oder Gepflogenheiten, nur weil diese alt
und ehrwürdig sind. Sondern der Sinn ist die Koinonia, das heißt, die lebendige
Gemeinschaft mit denen, die vor uns auf gleiche Weise in die Gemeinschaft mit
Christus und Seinem Vater getreten sind.