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Samstag, 26. Oktober 2013

La Pierre-qui-Vire - heute

(aus dem Kapitel: In den Wäldern von La Pierre-qui-Vire)

160 Jahre später ist das einstige La Pierre-qui-Vire nicht wiederzuerkennen.
Jahrzehntelang war es die führende Abtei Frankreichs. Trotz der strengeren Observanz konnte man sich der Anwärter kaum erwehren. Das Bedürfnis nach größerer Einsamkeit, nach Natur und Nachtgebet entsprach einem Zeitgefühl junger Menschen, denen das Leben in der tanzenden lauten Welt nicht reichte.

Der amerikanische Trappist Thomas Merton war ein Vorbild dieser Generation, die jenseits des Wohlstands andere Ufer suchte:
„Dass wir uns keine Zeit nehmen, liegt an dem Gefühl, ständig in Bewegung bleiben zu müssen. Das ist eine echte Krankheit. Wir leben in der Fülle der Zeit. Jeder Moment ist Gottes eigene gute Zeit, sein Kairos. Letztlich läuft die ganze Sache darauf hinaus, uns im Gebet nicht der Entdeckung zu verweigern, dass wir längst haben, was wir suchen. Wir brauchen nicht hinterherzuhetzen. Es war schon die ganze Zeit da, und wenn wir ihm Zeit geben, wird es sich uns erschließen."

Der 1949 in Lyon geborene Gastpater Guillaume ist ein typischer Repräsentant dieser Generation. Seine Familie gehörte zu den besseren Kreisen. Alles gelang, die Welt lag ihm zu Füßen. Als im Mai 1968 auf den Pariser Boulevards die Pflastersteine flogen, stand er auf der anderen Seite der politischen Barrikaden und beteiligte sich als 19-Jähriger an der Demo für General de Gaulle. Problemlos schaffte er sein Ingenieur-Studium und fand gleich einen Job. Doch, so sagt er heute: „Es war eine unbefriedigende Existenz, eine Sackgasse." Tiefer darin eindringen zu wollen, macht keinen Sinn, man spürt, dass er uns die Details ersparen möchte. Kurioserweise verbrachte er 1973 die Ferien in einem Landhaus seiner Eltern in der Nähe von La Pierre-qui-Vire. Vorher hatte er bereits die Regel des hl. Benedikt und Kierkegaard gelesen. Bei einem Besuch im Kloster, dem bald acht Einkehrtage folgten, war alles klar: Gebet und Einsamkeit - das Leben, das er suchte. Der Abt Denis sagte ihm: „Kommen Sie und wir werden sehen." Bereits im November 1973 trat er ein. Er war angekommen.

Die neue Zeit begann mit einem Noviziat, das er geliebt hat. „Es ist wie ein Abenteuer", schwärmt er noch immer. „Man hat alles zu lernen. Hier werden die Fundamente gelegt. Es ist wichtig, sich dem Novizenmeister anzuvertrauen, ihm das Herz zu öffnen. Er schaffte auch die Kontakte in der damaligen großen Gemeinschaft. Beunruhigte fallen gleich auf, alles nicht immer einfach. Doch ich war sehr glücklich. Wenn der Versucher Unruhe schaffte, habe ich alle Entscheidungen, auch später bei den Gelübden, in der Freude getroffen."  […]

Das vor einem halben Jahrhundert einberufene II . Vatikanische La Pierre-qui-Vire hatte nach der Liturgie-Reform keinen Ritusstreit zu überstehen. Die Volkssprache schaffte neuen Schwung. Ansonsten befriedete die kluge Hand von Abt Denis diese Jahre des Umschwungs. Äußerlich kürzte man das Habit um die Hälfte und schaffte einen Kompromiss zwischen klösterlicher Kapuze und grauer Hose. […]

4000 Besucher kommen jährlich nach La Pierre-qui-Vire. […] Die kleiner werdende Gemeinschaft schafft Lücken. Manche Betagte sieht man nur noch beim Essen im Refektorium. Gebeugte Männer mit zitternden Händen, von den Jungen liebevoll versorgt. Von den 40 Mönchen erscheint nur noch die Hälfte zum Nachtoffizium, das von 2 bis 3 Uhr andauert. Manche sagen, es sei die eigentliche „monastische Zeit".

Man öffnet das Fenster und riecht den Wald, Sternenhimmel, die Stille kennt Tausende Sprachen. Diese Vigil, in deren Anschluss sich die Mönche noch einmal für drei Stunden hinlegen, gehörte zu den „Abtötungs"-Observanzen des Gründers. Es wird nicht leicht, sie weiter so beizubehalten. […]

(Ausschnitte von Freddy Derwahl, Gottsucher, Was Menschen im Kloster suchen und finden)

Siehe auch  HIER  und   HIER


La Pierre-qui-Vire im Herbst

(foto-gitesdesgodains)


Abteikirche, Chorgebet

(Foto der Abtei)


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