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Donnerstag, 24. Oktober 2013

Abtei „La Pierre-qui-Vire“ – (Der sich drehende Stein)

(aus dem Kapitel: In den Wäldern von La Pierre-qui-Vire)

Innerhalb von vier Jahrzehnten hat sich in La Pierre-qui-Vire vieles verändert. Die Zahl der Mönche ist von hundert auf vierzig gesunken. Allein dieses Jahr wurden drei begraben.

Doch haben die Verbliebenen in der Abtei viel gebaut und renoviert. Eine neue Kirchenfront, in den Nischen von Scheinwerfern angestrahlt, und ein Gästehaus, das einem Hotel der Mittelklasse gleicht. Das Innere der Kirche ist fast gleich geblieben. […]
Rechts und links der Mönchschor aus einfachen Stühlen. Ein kleiner Altartisch unter dem gleißenden Lichtkranz. Hinter den Schlitzen einer Gitterwand die züngelnde rote Kerze des Allerheiligsten.  […]

Die Biografie von Bruder Servan ist abenteuerlich. Seine Eltern steckten ihn bereits mit elf Jahren in das Internat von La Pierre-qui-Vire. Trotz der Einsamkeit und Strenge bewahrt er eine gute Erinnerung an diese Zeit. Mit 18 tritt er ein, fünf Jahre Noviziat. Als sich die Eltern trennen, trifft es ihn: „Man kennt nicht viel vom Leben, hinterher muss man erkennen." Die ersten Jahre sind hart, „ein bisschen wie bei den Trappisten". Doch sind da ja noch andere junge Anwärter und der Novizenmeister, „bei ihm kann man sich ausweinen". Während des zweijährigen Militärdienstes in  Algerien erlebt er Gewalt und Folter hautnah. […]

Erstaunlich, wie offen er über diese Konflikte spricht: „Der geistliche Kampf ist nicht nur ein sexueller. Doch ich hatte noch zu lernen, dass der Mann einer Frau gegenübertreten soll, sie ist sein Vis-a-vis. Diese Krise tritt erst im Alter von 40 bis 50 Jahren auf. Der Abt hat uns Freundschaften mit Frauen erlaubt. Es waren nicht nur Brieffreundschaften. Da weint man sich woanders aus. Diese affektive Seite ist stark. Mit der Gnade Gottes reißt man sich schließlich die Geschichte aus der Seele."

Bruder Servan ist Dichter und ein Meister des Lächelns, auch über sich selbst. Mit 77 hat er die Zeit der Leidenschaften überstanden. Die Kirche ist offen, er erlebt große Freundschaften. Das Vertrauen zu den Brüdern wächst, vor allem zu den Betagten und Kranken. 25 der verbliebenen Mönche sind älter als er, 20 haben das 80. Lebensjahr überschritten.
„Wir sind nicht auf Erden, um hierzubleiben.
Der Tod ist unsere eigentliche Berufung." […]

(Ausschnitte von Freddy Derwahl, Gottsucher, Was Menschen im Kloster suchen und finden)



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