Seiten dieses Blogs

Montag, 21. Oktober 2013

Der „Alte Herrgott“ von Tancrémont

Das Kreuz von Tancrémont, das in einer kleinen Kapelle, zwischen der Autobahnabfahrt nach Banneux und dem Erscheinungsort der Muttergottes verehrt wird, ist das „glorreiche Kreuz“, das über viele Jahrhunderte im Chor der Kirche in Theux hing. Es ist wahrscheinlich während der Französischen Revolution aus Angst vor den Verwüstungen durch napoleonische Truppen unter einem großen Stein auf einem Feld vergraben worden.

Ein Bauer fand das Kreuz um das Jahr 1835 bei landwirtschaftlichen Arbeiten. Offenbar aufgrund von günstigen Bodenverhältnissen war es noch in einem guten Zustand erhalten. Man errichtete das Kreuz zunächst, wie in dieser Gegend üblich, am Straßenrand auf.

Die fromme Bevölkerung begann bald, das Kreuz zu verehren. Darum veranlasste im Jahre 1895 der Baron del Marmol, die Errichtung einer Kapelle. Neben der Kapelle lies er im Jahre 1932 neben der Kapelle ein kleines Kloster errichten, in dem sich Benediktinermönche ansiedelten. Die Benediktiner verließen jedoch im Jahre 1957 Tancrémont wieder, um nach Chevetogne zu gehen, wo sich heute eine berühmte Benediktinerabtei befindet. Die Kapelle und die Seelsorge von Tancrémont und Umgebung übernahmen Prämonstratenser der Abtei aus Averbode. Heute lebt ein einziger Prämonstratenser an dem heiligen Ort.

Der Leib des Gekreuzigten ist leicht gekrümmt. Seine Arme sind weit ausgestreckt. Die ursprünglichen Hände gingen verloren und wurden im 17. Jahrhundert aus Birkenholz angefertigt und 1932 aus Eiche erneuert. Die Tunika trägt vielfarbige Spuren. Ursprünglich wurde wohl ein byzantinischer grüner Stoff mit ovalen roten Motiven nachgeahmt.


Der „Alte Herrgott“ -
aus Sicherheitsgründen hinter
einer dicken Glasscheibe.

Im Jahre 1985 wurde das Kreuz gründlich restauriert. Bei dieser Gelegenheit nahm man auch eine Mikroskopanalyse vor, die deutlich zeigte, dass das Holz in acht Schichten übermalt worden ist. Die schöne rote Farbe, die man noch auf der Seite Christi erkennen kann, stammt wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert. Später wurde es braun und sogar grau bemalt. Die Füße des Gekreuzigten sind nicht von Nägeln durchbohrt. Beide befinden sich nebeneinander auf einem Stützblock.

Die Geschichte und der Stil dieses ehrwürdigen Kunstobjektes lassen mit großer Wahrscheinlichkeit (Kohlenstoff-14-Messung, C-14) den Schluss zu, dass es gegen Ende des 9. bis Anfangs des 10. Jahrhunderts (810-965) entstanden ist. Es zeigt uns einen mächtigen Christus als Sieger über den Tod und als König des Universums. Der Eindruck ist der eines ruhigen und erhabenen Gottmenschen. Diese Darstellung lässt sich der vorgotischen Stilrichtung zuordnen. Sie stimmt mit der romanischen Vorstellung von Skulpturen überein, wohl mit vereinfachten Formen, um ihnen einen sinnbildlichen Wert zu vermitteln.


Kapelle des Heiligtums
„Vieux Bon Dieu" in Tancrémont
Heiligtum „Vieux Bon Dieu" Tancrémont
Route de Tancrémont 77
B-4860 Pepinster (Belgien) 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen