Seiten dieses Blogs

Dienstag, 3. November 2015

„Das Heerlager der Heiligen" - kein Allerheiligen- oder Allerseelen-Roman

Jean Raspails Roman „Das Heerlager der Heiligen" ist 1973 in Frankreich erschienen. Eine deutsche Übersetzung erschien erstmals 1985. Zwanzig Jahre später, am 12.10.2005, nahm sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.2005 dem Roman an. Denn der Papst, der in „Das Heerlager der Heiligen“ vorkommt, ist kein geringerer als Benedikt XVI., allerdings aus Brasilien stammend.

Dieser Papst Benedikt XVI. hat nicht nur wie Papst Paul VI. seine Papstkrone verschenkt, er hat auch ein III. Vatikanischen Konzil einberufen. Er ist ein Papst der Armen und der Barmherzigkeit und hat es geschafft, das gesamte Vermögen der römisch-katholischen Kirche zu verkaufen. Doch vom erzielten Verkaufserlös konnte nicht einmal der vergleichsweise kleine Landwirtschaftsetat von Pakistan auch nur für ein Jahr ausgeglichen werden.

Lorenz Jäger von der FAZ schreibt 2005 über den Roman:
„Raspails Roman ist grotesk-apokalyptisch bis zur Obszönität, er schwelgt im Häßlichen, Grausamen, und vielleicht war dies der Preis für die visionäre Kraft. Der Autor verlängerte, wie Orwell in der negativen Utopie "1984", die Linien seiner Gegenwart. Die traurigste Rolle spielen die Kerenskis der multikulturellen Gesellschaft - jene, die an Dialog glauben, aber gleich vom ersten Ansturm am Strand überrannt werden. Zu diesen Gutgläubigen gehören im Roman auch die Vertreter der Kirche [...]. Überall herrscht die neue Religion der Ökumene - für Raspail die Lehre des Antichrist. Man trifft sich zum Hungerstreik für die Migranten in einer Abtei, deren Leiter Dom Vincent Laréole eigens zu diesem Zweck von einem buddhistischen Kongreß in Kioto zurückgekehrt ist.“

Lorenz Jäger griff am 23.09.2015 erneut in die Tastatur seines PC:
„Das Heerlager der Heiligen dürfte ein Kultbuch werden.“
Warum?
Weil „Das Heerlager der Heiligen" die aktuelle Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer in prophetischen und verstörenden Bildern vorweggenommen wird.
Das Buch ist erschütternd zu lesen;  auch heute noch.

So ist tatsächlich aus ganz aktuellem Anlaß Jean Raspails Roman in den Schlagzeilen vieler Feuilletons und Zeitschriften, sowie mancher Blogs präsent. Vor wenigen Tagen, am 27. Oktober 2015, gab der Tagesspiegel gar „eine Lesewarnung“ heraus und bezeichnete „Das Heerlager der Heiligen" als „Das Kultbuch der Neuen Rechten“ und sei „eine Blaupause von Pegida“.

Alexander Pschera schrieb im Vatican Magazin ein Essay, das zu lesen ich empfehle.
Er zitiert Raspai, der über sich „mit anti-ökumenischer Verve“ sagte: „Ich bin Katholik, kein Christ“.

Pschera schreibt:

„Das „Heerlager der Heiligen“ ist sein bekanntestes und erfolgreichstes Buch. Es schildert
den Untergang und die freiwillige Unterwerfung Frankreichs unter eine Flut von Immigranten aus Indien. Das Land ist dabei nur ein Platzhalter. Es könnte auch ein afrikanisches oder lateinamerikanisches gemeint sein. Das Buch erzählt, wie eine Million ausgehungerter und kranker indischer Immigranten an der französischen Mittelmeerküste landet – an einem Ostersonntag, nachdem die Flotte vierzig Tage auf den Wüsten der Weltmeere umherirrte. Eine ins Negative gewendete Ostersymbolik durchzieht den ganzen Roman wie ein dunkler Basso Continuo. Die Ankunft der Flüchtlinge versetzt Kirche, Politiker und Journalisten in einen kollektiven Rausch des Gutmenschentums, der durch das postkoloniale schlechte Gewissen weiter angestachelt wird. 

Die Immigranten gehen an Land und nehmen den ganzen französischen Süden in Besitz. Friedlich und gewaltfrei. Die Soldaten der Grande Armée desertieren. Die weiße Bevölkerung flieht nach Norden. Das Abendland hat keine Kraft mehr, sich zu wehren. In den südfranzösischen Städten werden die verbleibenden weißen Frauen in Bordelle für die Inder gesteckt. Umgekehrte Harems, sozusagen. In den Großstädten brechen Rassenunruhen aus.“


„Es gibt das Leben der Anderen, das nicht unser Leben ist, nicht unsere Geschichte, nicht unsere Kultur. Und es gibt unser Leben, unsere Geschichte, unseren Erfahrungsraum, den wir das „christliche Abendland“ nennen. Diese Unterscheidung hält Raspail für wesentlich. Ist er deswegen schon ein Rassist, wie es ihm linke Kritiker vorwerfen? 

Zwei Jahrzehnte ist Raspail als Abenteurer unterwegs gewesen, hat bedrohte Völker besucht und in seinen Büchern ihre Bedrohung durch die moderne Zivilisation beschrieben. Das Fremde war ihm allzu gut bekannt, aber als Fremdes. Viele so genannte „Antifaschisten“, die sich lautstark zu Anhängern des „Anderen“, des „Fremden“ machen, haben ihr Kinderzimmer nie verlassen. Die Rassismus-Keule dieser Linken trifft Raspail durchaus in einigen Szenen, an denen er das Leben an Bord der Armada als ein wollüstig-animalisches Vegetieren schildert (wobei man ihm dabei aber auch den Geist der siebziger Jahre zu Gute halten kann, der ja auch die „rassistischen“ Blaxspoitation-Movies hervorbrachte). Sie trifft ihn aber nicht in seinem Versuch, das je Eigene der Kulturen herauszuarbeiten und auf einer kulturellen Authentizität der Völker zu beharren, was übrigens ein linker Ethnologe wie Lévi-Strauss auch getan hat. 

Raspail formuliert die bedenkenswerte These, dass die Globalisierung, die mit dem Entstehen der so genannten „dritten Welt“ ihren Ausgang nahm, die Substanz des katholischen Selbstverständnisses angreifen und letztlich zerstören muss, weil sie die Identifikationsmuster dieses Katholischen auslöscht, das ja in seiner Geschichte immer auch mit einer Freund/Feind-Opposition gearbeitet hat.“

Vatican-Magazin

Raspails Roman war in Deutschland lange vergriffen und ist in einer neuen, erstmals vollständigen Übersetzung von Martin Lichtmesz erschienen.

Sezession

Antaios-Verlag

FAZ-2005

Tagesspiegel


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen