In dieser Woche wird wahrscheinlich die letzte Kirche eines Dorfes dem Erdboden gleichgemacht, das im Zuge des riesigen Braunkohlereviers Gartzweiler II für immer verschwinden wird. Einer dem für den Fall der Kirche eine bleibende Erinnerung sicher ist, ist der Aachener Pfarrer, Domkapitular und stellvertretende Generalvikar Rolf-Peter Cremer. Nicht, dass er für das Verschwinden des Dorfes verantwortlich wäre. Das waren politische und wirtschaftliche Entscheidungen.
Pfarrer Rolf-Peter Cremer trägt eine andere Verantwortung. Er
war es, der in einem offiziellen letzten Akt am 23. November 2014 mit dem
Löschen des Ewigen Lichtes und dem Verlesen des Profanierungsdekrets des
Bischofs von Aachen, Dr. Heinrich Mussinghoff, die Kirche St. Martinus
entweihte.
„Über 200 ehrenamtliche Mitarbeiter haben mittlerweile eine
Beauftragung für den Beerdigungsdienst”, sagt Pfarrer Rolf-Peter Cremer stolz
im Jahr 2008, als er als Leiter der Hauptabteilung Pastoral, Schule und Bildung
erfolgreich zur Sicherung der sakramentalen Grundversorgung Ergebnisse
präsentierte. Er kündigte an, man werde deswegen Seminare - etwa für die
Trauerpastoral und für Wortgottesdienstleiter - weiter ausbauen. Gänzlich abschätzig
den Priestern gegenüber sagte er: „Meiner Erfahrung nach ist den Gläubigen doch
ein guter Wortgottesdienst lieber als eine Messe mit einem alten Pater, der
gerade noch die Arme ausbreiten kann.” Ja, man muss wissen, dass dieser Mann ein Feind des überlieferten Priestertums ist und gerne alles, was ureigenste Aufgabe eines Priesters ist, in die Hände der Laien geben will.
Ein Pfarrer des Bistums Aachen sagte einmal: „Der Bischof
favorisiert die Abschaffung der territorialen Seelsorge zugunsten von
großflächigen Seelsorgebezirken im Stil des Verbandswesens. Der Architekt des
Abschieds von der Pfarrei, Pfarrer Rolf-Peter Cremer, war jahrelang
Bundespräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Von daher
wundert es nicht, wenn er das Bistum im Stil des BDKJ umbauen will. Und der
Bischof schließt sich an.“
In zweiten Teil seinem Buch „Die schleichende Abkehr von Rom.
Der deutsche Katholizismus und das Bistum Aachen 1989-2013“ widmet sich der
Autor Willi Arnolds der Dokumentation des Konflikts innerhalb der katholischen
Kirche in Deutschland mit dem päpstlichen Lehramt besonders im Bistum Aachen.
Dort „versuchen weite Kreise des Klerus, der Pastoral- und
Gemeindereferentinnen/-referenten, der größte Teil der Bistumsverwaltung, der
Laien-Gremien und nicht-repräsentative Gruppen der romtreuen Bevölkerung eine ‚andere
Kirche‘ aufzunötigen. Beispiele dafür sind die Abschaffung der
Fronleichnamsprozession in vielen Pfarreien, das Verdrängen der hl. Eucharistie
in Nebenräume der Kirchen, das Demontieren der Heiligenverehrung, die trotz der
Ablehnung Roms errichteten, freikirchlich geprägten ‚Gemeinschaften von
Gemeinden‘ und der Ersatz des Pfarrers durch kollektive Leitungsorgane.“
In diesem Geschehen nimmt Rolf-Peter Cremer eine
Schlüsselposition ein. Der Autor wendet sich dem Braunkohlerevier Gartzweiler
II. zu, respektive der Situation in den bereits abgebaggerten Gemeinden Otzenrath
und Spenrath, die von Arnolds mit „Demontage einer intakten Pfarrei“
überschrieben wird. Die beiden Orte wurden aufgrund des Braunkohletagebaus
umgesiedelt, weshalb auch die sprichwörtliche „Kirche im Dorf“ aufgegeben
werden musste. An und für sich kein unüberwindbares Problem, zahlt doch das für
den Tagebau zuständige Unternehmen („Rheinbraun“ bzw. heute „RWE Power“) für
den Neubau der Gebäude von umzusiedelnden Dörfern. Zunächst wurde also im
Auftrag des Bistums ein Plan für eine neue Kirche erstellt. Die Reaktionen der
Bevölkerung: „Unsere Kirche soll keine Mehrzweckhalle sein, deshalb wollen wir
Bänke und keine Stühle.“ – „Diese supermoderne Klotzform ist für mich keine
Kirche.“ – „Das erinnert mich stark an eine Fabrik mit einem Abzug.“ – „Das
vertraute Erscheinungsbild in gänzlich weg.“ Die Reaktion des Generalvikariats:
„Wir genehmigen heute keine Kirchenbauten wie von 1898.“
Der zuständige Pfarrer besuchte damals den Bischof, um über
das etwaige Weiterbestehen der Pfarrei zu sprechen. Mit von der Partie: Pfarrer
Rolf-Peter Cremer. In des Pfarrers Aufzeichnungen zu dem Gespräch heißt es:
„Das Gespräch sollte eine Stunde dauern. Es hat bis auf wenige Minuten 2
Stunden gedauert. Und der Bischof kam schon in Verlegenheit und schaute
bisweilen ein wenig hilflos auf seinen Pfarrer Cremer.“ Was Otzenrath und
Spenrath angeht, so konnten die Gläubigen den Erhalt ihrer Pfarrei durchsetzen
– bevor es drei Jahre später doch zur Eingliederung in eine andere Pfarrei kam.
Am nächsten Montag soll der Turm von St. Martinus in
Borschemich fallen. Danach kommen die Bagger von Rheinbraun und Borschemich
gibt es nicht mehr. - Den stellvertretenden Generalvikar, Domkapitular Pfarrer Rolf-Peter
Cremer gibt es dann noch – und er streckt seine Hand weit aus nach dem
Bischofsstuhl von Aachen.
Willi Arnolds
Die schleichende Abkehr von Rom
Der deutsche Katholizismus und das Bistum Aachen 1989-2013
Patrimonium-Verlag
ISBN: 3-86417-022-5
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