Widerstehe doch der Sünde,
Sonst ergreifet dich ihr Gift.
Laß dich nicht den Satan blenden;
Denn die Gottes Ehre schänden,
Trifft ein Fluch, der tödlich ist.
Die Art verruchter Sünden
Ist zwar von außen wunderschön;
Allein man muss
Hernach mit Kummer und Verdruss
Viel Ungemach empfinden.
Von außen ist sie Gold;
Doch, will man weiter gehn,
So zeigt sich nur ein leerer Schatten
Und übertünchtes Grab.
Sie ist den Sodomsäpfeln gleich,
Und die sich mit derselben gatten,
Gelangen nicht in Gottes Reich.
Sie ist als wie ein scharfes Schwert,
Das uns durch Leib und Seele fährt.
Wer Sünde tut, der ist vom Teufel,
Denn dieser hat sie aufgebracht.
Doch wenn man ihren schnöden Banden
Mit rechter Andacht widerstanden,
Hat sie sich gleich davongemacht.
Kantaten für den Sonntag Oculi - „Widerstehe doch der Sünde”,
ist eine Solokantate mit zwei Arien für tiefe Altstimme (…),
vermutlich (…) für den Dritten Fastensonntag (Oculi) komponiert. Das Werk sieht
ein fünfstimmiges Streicherensemble mit geteilten Bratschen vor und legt einen
Text von Georg Christian Lehms zugrunde, der auf dem Brief an Jakobus basiert:
‚So seid nun Gott untertänig, widerstehet dem Teufel, so fliehet er vor euch’.
Die erste Arie ist überwältigend. (… beginnt Bach einen Satz
mit einer schroffen Dissonanz, einem Dominantseptakkord über einem Orgelpunkt
auf der Tonika (…). Es ist ein Schocktaktik, die den Hörer aufhorchen lassen
und warnen soll: ‚Widerstehe doch der Sünde, sonst ergreifet dich ihr Gift’. (…)
Bach schafft eine Atmosphäre dringlichen, unbeirrbaren Widerstands gegen die
verführerischen, beharrlichen Mächte des Bösen. Diese beschwört er in lyrischen
Violinlinien herauf, die sich drehen und winden und ineinander 12verflechten,
dann einen ganzen Takt lang in taumelnder Spannung verharren, bevor sie in eine
scheinbare Ruhe taumeln, ein deutliches Symbol für die Gnadenfrist, die jenen
gewährt wird, die sich der Sünde standhaft widersetzen.
Ein tödlicher Fluch (dargestellt durch zwei abrupte Neueinsätze
der Bratschen auf der gleichen Dominantseptime) erwartet jene, die den Willen
zum Widerstand verlieren. Und für den Fall, dass jemand nicht richtig
aufgepasst hat, behält Bach das mächtige, hartnäckige Pulsieren des Akkords
unverändert bei. Von den zweiunddreißig Achteln der vier Anfangstakte sind nur
vier Konsonanzen, alle übrigen sind Dissonanzen, zwölf davon Akkorde aus fünf
Noten. Das sich anschließende Rezitativ reißt der Sünde die Maske vom Gesicht,
sie erweist sich bei näherem Hinsehen als ‚leerer Schatten’. Sie ist auch ‚als
wie ein scharfes Schwert, das uns durch Leib und Seele fährt’.
Die zweite Arie ist als vierstimmige Fuge angelegt, deren
einschmeichelndes chromatisches Thema und ein langes, verzerrtes Gegenthema die
listigen Fesseln des Bösen beschreiben. (…)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen