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Freitag, 12. Februar 2016

Die große Fastenzeit ist eine lange Vorbereitungszeit

- auf das Fest der Auferstehung unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus:

Fastenzeit in den Orthodoxen Kirche

Die ältesten christlichen Schriften sagen uns übereinstimmend, dass diese Fastenzeit von den heiligen Aposteln festgesetzt wurden, um es dem vierzigtägigen Fasten des Mose (2. Mose, 34), des Elias (3. Könige, 19) und vor allen Dingen unseres Herrn Jesus Christus, der ebenfalls vierzig Tage lang gefastet hatte (Matth. 4,2), gleichzutun. Die frühen Christen haben für die „Großen Fasten“ die Zeit des Kirchenjahres festgesetzt, da die heilige Kirche der Leiden unseres Herrn und Erlösers am Kreuze gedenkt, damit wir es einerseits durch das Fasten einüben, unserem Herrn auch in Seiner Selbstverleugnung mehr und mehr ähnlich zu werden und anderseits unsere Liebe zu unserem Heiland, der für uns und die ganze Welt gelitten hat, auch im Verzicht bezeugen zu lernen.

Diese Fastenzeit dauert sieben Wochen. Die ersten sechs Wochen sind der inneren Läuterung und Erneuerung des Christen gewidmet. Die siebente Woche - die Karwoche - ist den letzten Tagen des irdischen Daseins unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus, Seinen Leiden, Seinem Tod am Kreuz und seiner Grablegung gewidmet.

Die Fasten bedeuten nicht nur, dass man möglichst wenig tierische Nahrung zu sich nimmt, sie rufen uns auch zu einem Verzicht auf liebgewonnene, aber letztendlich eitle Gewohnheiten, einem häufigeren Besuch der Gottesdienste, einem vermehrten häuslichen Gebet, einem verstärkt Bereitschaft, die von uns begangenen Sünden zu bereuen und sie aufrichtig zu beichten, sowie einem wiederholten Empfang der heiligen Sakramente, insbesondere der heiligen Eucharistie, auf.

Zwischen dem Fasten und Ostern besteht ein enger Zusammenhang. Ostern - das ist Christi Auferstehung und unser neues Leben in Ihm. Und in dieses neue Leben müssen wir vorbereitet eintreten. Das Fasten ist also eine hilfreiche Hand, die uns die Kirche entgegenstreckt. Sie ist eine Unterweisung in der wahren Bedeutung des Fastens als Buße (das griechische Wort Metanoia / Buße bedeutet wörtlich Umkehr oder Abkehr von unseren falschen Gewohnheiten). Nur eine Schärfung unseres kirchlichen Bewusstseins kann uns darauf vorbereiten, im Osterfest nicht einfach eine Erlaubnis zu erblicken, unser altes Leben und seine falschen Gewohnheiten wieder aufzunehmen. Gerade die Kirche möchte uns durch eine, recht verstandene Zeit der Großen Fasten dazu helfen zu erkennen, dass das „Alte“, das Hinfällige in uns, aufgehört hat zu existieren und wir nun in dieses neue Leben, das uns Christus durch seiner Auferstehung geschenkt hat, eintreten dürfen.

Da die Heilige Kirche weiß, dass wir nicht imstande sind, uns schnell zu wandeln und ohne weiteres von einer Gemütsverfassung zur anderen überzugehen, kündigt sie die Großen Fasten lange vor deren Beginn in den Gottesdiensten an und ruft uns auf, uns innerlich darauf vorzubereiten. In den fünf Wochen, die den Fasten vorangehen, wird in jeder sonntäglichen Lesung des Evangeliums ein Hauptaspekt der Buße berührt.

I. - Die Woche über Zachäus (Lk. 19, 1-10). Im Laufe dieser Woche überzeugt uns die heilige Kirche davon, dass wenn der Mensch, wenn er aus tiefster Seele bereut, Christus in das Haus seiner Seele einkehrt.

II. - Die Woche über den Zöllner und den Pharisäer (Lk. 18. 10-14). Im Laufe dieser Woche stellt uns die heilige Kirche vor Augen, dass es die tiefe Demut und das Erkennen der eigenen Sündhaftigkeit ist, das die Seele des Menschen heilt und sie mit Gott verbindet, und nicht ein rein äußerliches, formales Einhalten des Gesetzes. Demut ist der Beginn einer echten Reue.

III. - Die Woche über den verlorenen Sohn (Lk. 15. 11-32). Im Evangelium dieser Woche und den Gebeten dieser Woche ist die Rede von einem Menschen, der moralisch auf Abwege geraten ist, jedoch aus dieser seiner Selbstverbannung zurückkehrt, indem er Buße tut. Weiter sehen wir, wie uns die wahre Buße als ein Neubeginn mit Gott unserem Vater, der uns liebt und sehnlichst auf unsere Heimkehr zu Ihm wartet, versöhnt.

IV. - Die Woche vor den Großen Fasten oder über das Jüngste Gericht (Matth. 23. 31-46). In der auf diesen Sonntag folgenden Woche schreibt die Kirche ein teilweises Fasten vor - es darf kein Fleisch gegessen werden. Damit beendet die Kirche allmählich die Vorbereitungen auf die Große Fastenzeit.

Die Kirche kennt unsere Unbeständigkeit, unsere geistige und seelische Schwäche, daher führt sie uns Schrittweise an den Verzicht in der Großen Fastenzeit heran.

Am Vorabend dieses Tages, am vierten Vorfastensamstag, gedenkt die Kirche aller, die "in der Hoffnung auf eine Auferstehung und auf ein ewiges Heil" entschlafen sind. Der Gedenkgottesdienst (slawisch: Pannichida, griechisch Parastasis) am vierten Vorfastensamstag dient als Vorbild für alle anderen Gedenkgottesdienste und wird so auch am zweiten, am dritten und am vierten Sonnabend der Großen Fasten gehalten.

Am vierten Vorfastensonntag ist die Evangeliumslesung der Lehre unseres Herrn vom Jüngsten Gericht (Matth. 25, 31 - 46) gewidmet. Nach welchem Maßstab wird uns Christus richten? Das Gleichnis des Erlösers antwortet: nach dem Maßstab der Liebe. So wie wir uns zu unseren Mitmenschen verhalten haben, so wird sich der Herr auch zu uns verhalten: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr Mir getan...“ (Matth. 25, 40).

Am Mittwoch und Freitag dieser Woche wird keine Göttliche Liturgie gefeiert und der gesamte Ablauf des Stundengebetes weist Besonderheiten auf, die sich auf die Fastenzeit beziehen.

Der Sonnabend dieser Woche ist dem Andenken „an die Männer und Frauen, die durch die Fasten errettet wurden“ gewidmet. Die Heiligen, deren Beispiel wir folgen, unterweisen uns in der schwierigen Kunst des Fastens und der Buße. Diese ganze Woche wird im Volksmund die „Butterwoche“ oder Karneval genannt. In dieser Woche essen wir kein Fleisch mehr, dafür sind Butter, Käse und Fisch jedoch erlaubt.

V.- Die Butterwoche oder der Sonntag vor der großen Fastenzeit (Matth. 6, 14-21). Er trägt die liturgische Benennung „Die Vertreibung Adams aus dem Paradies“ wodurch die gesamten Vorbereitungen auf das Fasten sozusagen resümiert werden.

Der Mensch wurde erschaffen für ein Leben im Paradies, auf dass er Gott kenne und mit Ihm Umgang habe. Aber die Sünde hat den Menschen dieses seligen Lebens beraubt, und sein Dasein auf der Erde gleicht nun einem Exil. Christus, der Erretter der Welt, tut einem jeden, der Ihm folgt, die Pforte zum Paradies auf. Zu Beginn des Fastens werden wir Adam ähnlich. Das Fasten hilft uns, durch die Gnade Gottes, mehr und mehr von der Sünde befreit zu werden. An diesen Sonntagen der Vorbereitungswochen werden Bußgesänge gesungen, die uns auch im Laufe der ganzen Großen Fasten begleiten werden: „Sieh Herr, ich tue Buße, öffne mir die Lebenspendende Pforte...“ An den letzten zwei Sonntagen vor dem Fasten hören wir im Frühgottesdienst nach den freudigen und feierlichen Psalmen den von Wehmut erfüllten 137. Psalm: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten...“ Das ist ein Psalm der Vertreibung. Ihn sangen die Juden In der babylonischen Gefangenschaft, als sie ihrer Heiligen Stadt Jerusalem gedachten. Dieser Psalm ist für immer das Lied des Menschen geworden, der weiß, dass er vertrieben, dass er von Gott getrennt ist und begreift, dass er sein Heil nur in Gott findet, in dem Wunsche, sich eng mit Ihm zu vereinen.

Richtig beginnt das Fasten am Abend des Letzten Sonntags vor der großen Fastenzeit. Die Geistlichen sind in helle Ornate gekleidet, aber die Bittgesänge zu Gott: künden bereits davon, dass die Großen Fasten anbrechen. In dem Psalmenvers: „Herr, wende Dein Angesicht nicht ab von Deinem Diener, sieh, wie ich leide, erhöre mein Flehen - nimm meine Seele und erlöse sie“ ist der Ausgangspunkt des Fastens zu spüren: und zwar die insgeheime Verbindung zwischen Verzweiflung und Hoffnung, zwischen Finsternis und Licht. Nur Gott allein vermag mir in meinem Schmerz zu helfen, nur Er allein kann meine Seele retten und erlösen. Dieser Psalmvers wird fünfmal wiederholt. Und nun sind die Fasten bereits angebrochen! Die hellen Ornate werden gegen dunkle, strenge Gewänder vertauscht, die helle Beleuchtung wird gelöscht. Zum ersten Mal wird das den Großen Fasten geltende Bußgebet Ephraims verrichtet, wobei sich die Betenden bis zur Erde verneigen:

„Herr und Gebieter meines Lebens, den Geist des Müßiggangs, des Verzagens, der Herrschsucht und unnützer Worte, gib mir nicht!
Schenke vielmehr mir, Deinem Diener, den Geist der Keuschheit, der Demut, der Geduld und der Liebe.
Ja, Herr, mein König, gewähre mir, meine eigenen Sünden zu erkennen und nicht meine Schwestern und Brüder zu verurteilen, denn gesegnet bist Du von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Am Ende des Gottesdienstes treten die Gläubigen an den Geistlichen heran, um ihn um Vergebung zu bitten, danach bitten sie einander gegenseitig um Vergebung. Das Fasten beginnt eben mit dieser Bekundung von Liebe, Einigung und Brüderlichkeit, der Chor aber stimmt die Gesänge des Osterkanons an.

Wir haben vierzig Tage lang zu fasten, doch am Ende dieses Weges leuchtet uns bereits das österliche Licht, das Licht der ewigen Glückseligkeit in Christus.

Am vierten Fastensonntag empfiehlt uns die Kirche als erhabenes Vorbild beim Fasten den ehrwürdigen Johannes Klimakos, der uns in seinem Buch „Eine zum Himmel hinaufführende Leiter“, gleichsam einem Reiseführer für den Weg der geistigen Vereinigung des Menschen mit Gott hinterlassen hat.

Am fünften Fastensonntag wird der heiligen Maria von Ägypten gedacht, die mit ihrem Leben ein Beispiel wahrer Buße gegeben hat.

Am Karfreitag wird vor einer mitten in der Kirche stehenden Ikone des heiligen und Lebenschaffenden Kreuzes unseres Herrn der Gottesdienst der heiligen und erlösenden Leiden unseres Herrn Jesus Christus vollzogen. Alle Evangelien-Lesungen werden bei brennenden Kerzen und unter Glockengeläut verlesen. Die Prozession mit dem Grabtuch, worauf Christi Grablegung abgebildet ist, rund um die Kirche (der Heiland wurde in der Nacht zum Sonnabend ins Grab gelegt) versetzt uns in unseren Gedanken und Empfindungen in jene Zeit zurück, da der heilige Joseph von Arimatäa und der heilige Nikodemus der Ratsherr ihre Furcht vor Pilatus überwanden und dem Gekreuzigten treu und ergeben die letzte Ehre erwiesen, indem sie Seinen vom Kreuz abgenommenen Reinen Leib „in ein reines Tuch einhüllten und ihn in ein neues Grab legten“.

Am Samstag vor Ostern gedenkt die heilige Kirche des Aufenthalts des Leibes Jesu Christi im Grabe und erinnert sich an das Hinabsteigen Christi zu den Entschlafenen in das Reich des Todes, an die Einführung des reuigen Schächers (= Sünders) in das Paradies, an das Verweilen mit dem Vater und dem Geist auf dem himmlischen Thron und gleichzeitig besingt sie prophetisch das großes Ereignis, die helle Auferstehung Christi im Voraus.

Den ganzen Gottesdienst überkommen einen in wundersamer Weise ganz entgegengesetzte Gefühlsregungen: man empfindet Schmerz und Freude, spürt Tränen und helles Frohlocken, wenn die letzten Fastengesänge endlich mit den Auferstehungsgesängen verschmelzen und erst im aufklingenden Jubel über die Auferstehung Christi:

„Christus ist erstanden von den Toten, durch den Tod hat er den Tod besiegt, und denen in den Gräbern das Leben aus Gnaden geschenkt.“




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