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Mittwoch, 16. April 2014

Eingeschlossen von vier Nägeln! - Kreuzweg, 11. Stat.

11. Station - Jesus wird an das Kreuz genagelt

Nun ist es so weit gekommen:
Gott ist nicht mehr bei uns.
Er liegt auf der Erde.
Wie ein Hirsch hat ihn die Meute in dichten Haufen an der Kehle gepackt. -

Du bist also gekommen,
du bist wirklich einer von uns geworden, Herr!
Man hat sich auf dich gesetzt,
man preßt dir die Knie auf das Herz.
Diese Rechte, die der Henker verdreht, ist die
Rechte des Allmächtigen.
Man hat das Lamm an den Füßen gefesselt,
man bindet den Allgegenwärtigen an.
Man bezeichnet auf dem Kreuz mit Kreide
seine Höhe und sein Maß.
Und wenn er von unseren Nägeln gekostet,
werden wir sein Gesicht sehen!

Ewiger Sohn, durch seine Unendlichkeit einzig umgrenzt –
Da ist er nun,
der armselige Erdenfleck, den du bei uns begehrt hast.
Siehe da, Elias, der Länge nach auf dem Toten ausgestreckt!
Siehe da, Davids Thron und der Ruhm Salomons!
Siehe da, unserer Liebe Bett mit dir, gewaltig und hart!
Schwer ist es für einen Gott, sich anzupassen unserem Maß.

Man zerrt, und halb aus den Gelenken gerissen,
kracht der Körper und schreit.
Er ist gespannt wie eine Kelter,
schauerlich ist er zurechtgehauen.
Damit der Prophet gerechtfertigt würde,
der es so vorausgesagt hat:
„Sie haben seine Hände und Füße durchbohrt,
sie haben gezählt alle seine Gebeine.“ –

Du bist gefangen, Herr,
und kannst nicht mehr entweichen.
Du bist auf das Kreuz genagelt
an Händen und Füßen.
Ich habe nichts mehr im Himmel zu suchen
mit Ketzern und Narren.
Dieser Gott ist mir genug,
der da von vier Nägeln
eingeschlossen ist.

(Paul Claudel (1868-1955), Der Kreuzweg
Übertragen von Klara Marie Faßbinder, 1938)


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