Nun ist es so weit
gekommen:
Gott ist nicht mehr bei
uns.
Er liegt auf der Erde.
Wie ein Hirsch hat ihn die
Meute in dichten Haufen an der Kehle gepackt. -
Du bist also gekommen,
du bist wirklich einer von
uns geworden, Herr!
Man hat sich auf dich
gesetzt,
man preßt dir die Knie auf
das Herz.
Diese Rechte, die der
Henker verdreht, ist die
Rechte des Allmächtigen.
Man hat das Lamm an den Füßen
gefesselt,
man bindet den
Allgegenwärtigen an.
Man bezeichnet auf dem
Kreuz mit Kreide
seine Höhe und sein Maß.
Und wenn er von unseren
Nägeln gekostet,
werden wir sein Gesicht
sehen!
Ewiger Sohn, durch seine
Unendlichkeit einzig umgrenzt –
Da ist er nun,
der armselige Erdenfleck,
den du bei uns begehrt hast.
Siehe da, Elias, der Länge
nach auf dem Toten ausgestreckt!
Siehe da, Davids Thron und
der Ruhm Salomons!
Siehe da, unserer Liebe
Bett mit dir, gewaltig und hart!
Schwer ist es für einen
Gott, sich anzupassen unserem Maß.
Man zerrt, und halb aus den
Gelenken gerissen,
kracht der Körper und
schreit.
Er ist gespannt wie eine
Kelter,
schauerlich ist er zurechtgehauen.
Damit der Prophet gerechtfertigt
würde,
der es so vorausgesagt hat:
„Sie haben seine Hände und
Füße durchbohrt,
sie haben gezählt alle
seine Gebeine.“ –
Du bist gefangen, Herr,
und kannst nicht mehr
entweichen.
Du bist auf das Kreuz
genagelt
an Händen und Füßen.
Ich habe nichts mehr im
Himmel zu suchen
mit Ketzern und Narren.
Dieser Gott ist mir genug,
der da von vier Nägeln
eingeschlossen ist.
(Paul Claudel (1868-1955), Der
Kreuzweg
Übertragen von Klara Marie
Faßbinder, 1938)
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