Da ist nun die Tenne, wo
der himmlische Weizen geschrotet wird.
Der Vater ist entblößt,
der Schleier des
Tabernakels ist weggerissen.
Die Hand ist an Gott
gelegt,
das Fleisch des Fleisches
erzittert.
In seinem Grunde bedroht
erbebt das Weltall bis in seine innersten Eingeweide.
Wir aber wollen,
da man ihm das Gewand und
den Rock ohne Naht genommen hat,
unsere Augen erheben,
wollen es wagen,
Jesus, den ganz Reinen,
zu betrachten.
Nichts haben sie dir
gelassen, Herr,
alles haben sie dir
genommen,
sogar das Kleid, das am
Fleische klebt,
so wie sie heutzutage
dem Mönch seine Kutte
entreißen und
der gottgeweihten Jungfrau
ihren Schleier.
Alles haben sie ihm
genommen,
es bleibt ihm nichts mehr,
sich zu bergen,
nichts, um sich zu
verteidigen.
Nackt wie ein Wurm
ist er allen Menschen
ausgeliefert und zur Schau gestellt ...
Was, das ist euer Jesus?
Er reizt ja zum Lachen!
Er ist bedeckt von Schlägen
und Unrat,
er gehört zu den Verrückten
und ins Polizeigewahrsam.
Er ist nicht der Christus.
Er ist nicht der Sohn des
Menschen.
Er ist nicht Gott.
Sein Evangelium ist Lüge,
und sein Vater ist nicht im
Himmel.
Er ist ein Narr!
Ein Betrüger!
Heißt ihn doch reden!
Heißt ihn doch schweigen!
Der Knecht des Annas gibt
ihm einen Backenstreich, und Renan küßt ihn. ...
Sie haben alles genommen.
Aber es bleibt das
scharlachfarbene Blut.
Sie haben alles genommen.
Aber es bleibt die
aufbrechende Wunde.
Gott ist verborgen.
Aber es bleibt der Mann der
Schmerzen.
Gott ist verborgen.
Es bleibt mein Bruder
voller Tränen. –
Durch deine Verdemütigungen,
Herr,
durch deine Schmach,
habe Mitleid mit den
Besiegten,
mit dem Schwachen, den der
Starke überwältigt.
Durch die Schauerlichkeit
dieses letzten Kleides,
das man dir entrissen, habe
Mitleid
mit allen, die man
zerreißt:
mit dem dreimal operierten
Kinde, dem der Arzt Mut zuspricht,
mit jenen Verwundeten,
dessen Verband man erneuert,
mit dem gedemütigten
Gatten,
mit dem Sohn neben seiner
sterbenden Mutter
und mit dieser furchtbaren
Liebe,
die wir uns aus dem Herzen
reißen müssen.
(Paul Claudel (1868-1955), Der
Kreuzweg
Übertragen von Klara Marie
Faßbinder, 1938)
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