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Mittwoch, 14. Oktober 2015

Woran erkennt man eine christliche Zeitung?

Alexandra Maria Linder erzählt darüber in ihrer Familienkolumne des Vatican-Magazin

C-Kind findet das alles schon recht spannend: „Aber woran merkt man denn, dass das eine christliche Zeitung ist?"

Äh, mal sehen. Also erstmal steht es auf dem Deckblatt. Mhm, ein Interview über Banker, Filme, die Lust auf Schule machen... ach hier: Das Quiz, da geht es um Bibelfragen, und hier, sieh mal, da ist ein Spruch Salomons. Und hier, die Schriftstellerin, die wird nach ihrem Glauben gefragt. Und da ist ein ganzer Artikel, der sich mit der Frage beschäftigt, ob die Kirchen mehr wissen als andere! Die Bücher, die beworben werden, sind auch alles christliche Bücher.

B-Kind stromert vorbei und wirft einen kritischen Blick des fachmännischen und weltgewandten Siebzehnjährigen hinein: „Was für Gutmenschen", lautet sein lakonischer Kommentar. „Würde mich nicht überzeugen." . . .

C-Kind greift den Kommentar des Bruders, der natürlich längst wieder, mit etwas Essbarem beladen, hinausgestromert ist, dankbar auf, um die Diskussion zu verlängern. Sie will wissen, was ein Gutmensch ist.

Na toll. Jemand, der relativ tiefgedankenlos einen auf sozial macht? Kapiert sie nicht. Mhm. Wir spenden für die Suppenküche und fahren mit dem Bus statt mit dem Auto, essen ehrliches Essen, trennen brav unseren Müll, freuen uns über die Crystal Meth-Selbsthilfegruppe. Dann legen wir das hinten angebotene Legespiel mit der Farbspirale, benutzen den Zauberstempel und den Scheibenturm. Beim Abendessen verwenden wir das Servierbrett Dackel aus Nussbaumholz, nachdem wir Salz und Pfeffer aus dem Eiche-Gewürzregal geholt und die Suppe mit dem Kipp-Kochlöffel aus geöltem Kirschbaumholz gerührt haben - alles ökologisch wertvoll. Und zur guten Nacht hören wir noch „Der Mond ist aufgegangen", setzen uns mit einem Glas Wein auf die Terrasse und fühlen uns gut. Und weil wir so gut sind, kommen wir alle in den Himmel. C-Kind findet das gar nicht schlecht. Sie möchte unbedingt den Dackel haben.

Das war so grob das Fazit aus dem Durchforsten dieser Zeitung. Kuschelreligion, gespickt mit einigen sozialen Hammerschlägen, damit man sich engagiert, gelegentlich spendet, bestimmte Dinge liest und tut oder eben auf keinen Fall liest und tut. Männer kommen im Blatt übrigens eher sporadisch vor, klar, die sind ja meistens auch nicht so kuschelig.

Was in dieser Zeitschrift wohl generell auch nicht so thematisiert wird, sind Begriffe wie Glaubenskampf, Härte, Stärke, Hölle, Teufel, mögliche Gefahren des Islams, mögliche Probleme mit zu vielen Asylbewerbern und mit abgelehnten Asylbewerbern, Artikel darüber, was der christliche Glaube bedeutet und uns abverlangt, die Möglichkeit, dass andere vielleicht gar nicht mitkuscheln wollen, sondern die Waffen auspacken, die wir gerade so schön mental eingepackt haben.

Vatican-Magazin 10/2015


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