CNA Deutsche Ausgabe:
Die Veronika kommt zurück nach Rom, habe ich gehört. Stimmt
das, Herr Badde?
PAUL BADDE: Die Rückkehr der Veronika dauert schon seit
Jahren und Jahrzehnten. Es ist ein Prozess. Doch es ist eine Rückkehr vom
Urbild Christi zur ganzen Welt, und jetzt eben auch nach Rom.
CNA: Was soll das heißen: Veronika?
BADDE: Es ist ein einzigartig transparentes Tuchbild
Christi, das im Lauf der Geschichte viele Namen hatte. Darunter ist der Name
Veronika gewissermaßen eine Allegorie, die sich aus den lateinisch-griechischen
Bestandteilen Vera Ikon (Wahres Bild) zusammensetzt. Bis zum Sacco di Roma im
Jahr 1527 war es der kostbarste Schatz der Päpste. Seit Jahrhunderten wird
dieser so genannte Schleier der Veronika
allerdings in einer kleinen Kirche in den Abruzzen aufbewahrt.
CNA: Wer hat es gemalt?
BADDE: Es ist nicht gemalt. Es enthält keinerlei Farben, wie
das Turiner Grabtuch. Aber auch keinerlei Blut. Kein Mensch kann erklären, wie
es entstanden ist.
CNA: Und dieser Schatz kommt jetzt nach Rom zurück?
BADDE: Ja, aber nur als eine Kopie dieses wahren Bildes! Es
ist ein kostbarer maßstabgenauer Laserdruck auf feinster Seide, in einem
originalen alten Rahmen der Reliquie aus den Jahren 1902 – 1946. Und diese
Replik kommt nun erstmals und feierlich nach Rom zurück, jedoch nur für rund 30
Stunden – gewissermaßen auf einer Pilgerschaft zum heiligen Jahr.
CNA: Wer bringt sie hierhin und wann?
BADDE: Kapuziner und Pilger aus Manoppello bringen die Kopie
des Schleiers am zweiten Sonntag nach Epiphanie, am so genannten Sonntag "Omnis Terra", zum Petersdom und
dann von dort in einer Prozession zur Kirche Santo Spirito in Sassia. Das ist in diesem Jahr der 17. Januar.
CNA: Gibt es dafür einen Anlass?
BADDE: Ja, am gleichen Sonntag "Omnis Terra" des
Jahres 1208 hat Papst Innozenz III. erstmals die VERA ICON – oder wie es damals
in Rom hieß: das "Sudarium Christi quod veronica vocatur" (das
Schweißtuch Christi, das Veronika genannt wird) öffentlich gezeigt, als er es
von dem damaligen Tresor der kostbaren Reliquie in Sankt Peter barfuß mit
seinen Chorherren in das Ospedale Santo Spirito in Sassia getragen hat. Damit
begründete er die Tradition der Verehrung des Gesichtes der Barmherzigkeit
(MISERICORDIAE VULTUS) in der lateinischen Kirche und in der Welt des Westens.
CNA: Wieso?
BADDE: Weil Papst Innozenz III. gleich beim ersten Mal, als
er das heilige Bild aus der Verborgenheit löste, es eben nicht in die Paläste
Roms getragen hat, sondern explizit zu den 300 Kranken seines Hospitals, wohin
er zu dieser Gelegenheit auch noch 1000 Arme aus ganz Rom eingeladen hatte.
Ihnen allen ließ er dabei aus der Spendenkasse von Sankt Peter je drei Denare
aushändigen (einen für Brot, einen für Fleisch und einen für Wein) verlieh dem
Krankenhaus einen Rang als "Stazione sacra" künftiger Pilgerwege. Mit
diesem Schritt nahm er deshalb auch schon die Tradition aller folgenden
Heiligen Jahre vorweg. Denn diese Prozession wurde von da an jährlich
wiederholt, mit jährlich wachsenden Pilgerzahlen aus aller Welt nach Rom.
CNA: Gibt es dafür Belege?
BADDE: Ja, und sie sind überaus zahlreich. Es gibt in Europa
kaum eine alte Pfarrei, in der sich nicht alte abgegriffene Pilgerabzeichen mit
dem Gesicht Christi finden, oder mit der päpstlichen Tiara, den Schlüsseln
Petri und dem heiligen Gesicht. Das Gesicht Christi aber war immer zentral.
Davon bekomme ich fast täglich neue Beispiele geschickt. Eine ausgezeichnete
neue Website, die diese Bilder unter www.veronicaroute.com sammelt, kann sie
auf ihrer Landkarte Europas kaum noch alle fassen. Dieses Antlitz war gleichsam
der Polarstern der Christenheit.
CNA: Aber gibt es auch literarische Zeugnisse dazu?
BADDE: Allerdings! Am Ende des gleichen 13. Jahrhunderts
erwähnt die heilige Mechthild im fernen Hackeborn in Deutschland schon den
Sonntag Omnis Terra als den Tag, an dem man in Rom das Christusbild zeigt,
ebenso wie die heilige Gertrud, die den Tag mit ihren Mitschwestern in Helfta
mitfeierte. Ab 1300 spielte das Bild Christi dann in allen heiligen Jahren eine
Schlüsselrolle, erst recht, als die Päpste schon in Avignon und gar nicht mehr
in Rom residierten. Die Zeugnisse sind zahlreich, von mittelalterlichen
Dichtern oder Pilgern, etwa von einem Giovanni Villani, wo beschrieben wird,
wie sich Pilger unter lauten Anrufungen der "Misericordia" vor dem
Bild versammelten. Zu der Zeit hatte Papst Johannes XXII. (1316 – 1334) schon
seinen ungeheuer populären Hymnus "Salve Sancta Facies" auf dieses
Schleierbild gedichtet: Sei gegrüßt, heiliges Gesicht ... Seit dem frühen
Mittelalter wurde dieses Sudarium schon in der hymnischen Ostersequenz des
burgundischen Dichters Wipo besungen. Es gab ein eigenes Ufficium, das heißt
ein eigenes Messformular zur Verehrung
des Heiligen Gesichts.
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