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Mittwoch, 13. Januar 2016

Jouis Billot SJ. Tradition und Modernismus. - Eine Buchbesprechung.

Seit Jahrzehnten hört man im katholischen Mainstream nichts mehr über den Modernismus; folglich muß er überwunden sein, richtig? Falsch! Dies wird bereits auf den ersten Seiten des Buches „Tradition und Modernismus“ deutlich, welches vor gut einem Jahrhundert von Louis Kardinal Billot SJ verfaßt wurde und im Jahr 2014 auf Deutsch im „Carthusianus Verlag“ erschienen ist.

Denn eine der Thesen, die damals von modernistischer Seite vorgebracht wurden, hören wir – so oder so ähnlich – auch heute noch: „Der Glaube hat hier auf Erden keine dauerhafte Wohnstätte, selbst wenn er stets bemüht ist, sich vorübergehende Behausungen zu suchen. Insbesondere wäre es vergeblich, ihn in den mittlerweile veralteten Formen aufrechtzuerhalten, die einer anderen Mentalität entsprechen und jetzt nichts mehr sein können als die ehrwürdigen Zeugnisse einer vergangenen Zeit.“

Das obige Zitat stammt von Alfred Loisy, gegen den das Werk von Billot, welches ursprünglich den Titel „De immutabilitate traditionis contra novam hæresim evolutionismi“ – auf Deutsch: „Über die Unveränderbarkeit der Tradition gegen die neue Häresie des Evolutionismus“ – erschienen war, hauptsächlich gerichtet ist. Entsprechend findet sich im abschließenden sechsten Kapitel auf etwa 30 Seiten eine „Anhäufig von Irrtümern“, die aus den Schriften Loisys extrahiert wurden.

„De immutabilitate traditionis“ ist eingeteilt in sechs Kapitel. Es handelt sich nicht um eine Polemik, sondern um eine kurze Abhandlung, die auch den Laien in die Problematik einzuführen vermag, wobei Billot trotz allem kaum als „leichte Lektüre“ kategorisiert werden kann. Im ersten Kapitel diskutiert der Autor, was die Kirche meint, wenn sie von „Tradition“ spricht. Sodann widmet er sich Einwänden, die man gegen die Tradition als solche vorbringen könnte. Das Auftreten scheinbarer Widersprüche, so erläutert Louis Kardinal Billot jedoch, ist leicht zu erklären. Zwar sei die Lehre der Tradition immer dieselbe, doch sei sie nicht von jeder Person zu jedem Zeitpunkt in derselben Weise ausgebildet und ausgeführt. Es gebe drei Stadien: den einfachen Glauben, ein Zwischenstadium sowie das Stadium der vollständigen Erklärung.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den Fehlern der historischen Methode bei der Kritik der Zeugnisse der Tradition. Die historische Methode sei angemessen, um die Tatsache der Offenbarung zu beweisen, nicht jedoch, wenn man die sogenannten „præambula fidei“ hinter sich gelassen hat und den in der Offenbarung enthaltenen Wahrheiten nachgeht. Im vierten und fünften Kapitel geht es Billot um die „relative Wahrheit“ bzw. um den „moralischen Dogmatismus“. Wie angedeutet sammelt das letzte Kapitel die Irrtümer Loisys. Hier ist es nur bedauerlich, daß Billot sich nicht die Zeit nimmt, sie auch zu widerlegen, denn das hätte eine phänomenale Argumentationshilfe sein können. „De immutabilitate traditionis“ vorangestellt ist eine sehr inhaltsreiche Einleitung von Claudia und Peter Barthold, die auch die Übersetzung vorgenommen haben.

Wohin der Modernismus führt, soll zum Abschluß ein längeres Zitat aus „Tradition und Modernismus“ deutlich machen, in dem sich Louis Kardinal Billot auf sarkastische Weise direkt an seine Leser richtet: „Bis jetzt nahmen Sie an, daß es eine moralische Verfehlung sei, wenn man den häretischen Lehrmeinungen beipflichtet, zumindest denen, die man in der althergebrachten Sprache als solche bezeichnete. Aber heute muß Ihnen klar sein, daß Sie hier einem unsinnigen Vorurteil erlegen waren. Mit dem gleichen Anspruch und mit dem gleichen Recht wie die Formeln der römisch-katholischen Kirche könnten jene der Lutheraner, der Sozinianer, der Arianer oder der Muslime auch diese absolute und unbekannte Wahrheit symbolisieren, der alleine anzuhängen Sie stets beabsichtigen. Deshalb spielt es schließlich keine Rolle, seine Zustimmung zu einer Konfession oder zu einer anderen zu geben. Sie sind katholisch? Werden Sie doch Protestant, wenn es Ihnen zusagt. Ja, vielmehr steht dem nichts im Wege, zugleich katholisch und protestantisch zu sein, weil ja das katholische Glaubensbekenntnis keinerlei Schaden erleiden wird, wenn Sie es zugleich mit dem lutheranischen, anglikanischen oder calvinistischen oder auch einem anderen Glaubensbekenntnis verbinden. Und welcher Gläubige wird schließlich nicht die Absicht hegen, alleine der unbekannten Wahrheit anzuhängen, die sich ihm vielleicht eines Tages offenbaren wird? Deshalb stehen wir bereits mit allen Bekenntnissen auf der Welt durch eine Glaubensgemeinschaft in Verbindung, und schon leuchtet das Morgenrot eines Zeitalters, in dem es eine einzige Religion für die ganze Menschheit geben wird, nachdem man für immer alle Trennungen abgeschafft hat, die der alte Aberglaube eingeführt hatte.“ Wenn der einfache Gläubige heute ein Modernist ist, dann selten bewußt und mit böser Absicht. Anzuklagen ist stattdessen eine Hierarchie, die ihre Pflichten hinsichtlich der Verteidigung des Glaubens massiv vernachlässigt hat.


Jouis Billot SJ. Tradition und Modernismus.
Über die Unveränderbarkeit der Tradition gegen die neue Häresie des Evolutionismus.
Übersetzt von Claudia Barthold, Peter Barthold.
236 Seiten, Paperback, 19,80€.



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