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Freitag, 29. November 2013

Dietrich von Hildebrand antwortet dem Bischof von Rom (2 von 3)

Sinnvolle Geschichte erfordert, daß es eine Überlieferung von Einsichten und Kunstwerken gibt, die zeitlos sind, d. h. die in ihrer Bedeutsamkeit, ihrer Wahrheit und ihrem Wert jenseits der Zeit liegen.

Die Bedeutung der Tradition entspringt aus der Tatsache, daß es Dinge gibt, die eine Botschaft für den Menschen aller Zeiten enthalten, Dinge, die niemals veralten können auf Grund des Wertes den sie in sich selbst besitzen, und auf Grund ihrer Wahrheit. Keine gültige und fruchtbare Tradition könnte jemals unabhängig von solchen zeitlosen Beiträgen existieren, wie denen eines Plato, Aristoteles, Augustinus, Dante, Shakespeare, Cervantes, Phidias, Michelangelo, Bach, Mozart, Beethoven usw. Sie sind immer zeitgemäß auf Grund ihrer Zeitlosigkeit, denn zeitlos sein heißt nicht: keine Beziehung zur Zeit haben, sondern vielmehr: gültig sein zu allen Zeiten.

Doch die Katholiken, die behaupten: „Wir haben die Vergangenheit zu lange geliebt", unterhöhlen durch ihren Angriff auf die Tradition nicht nur den Sinn der Geschichte, sondern sie verraten oft auch eine bedauerliche historische Unwissenheit. Sie übertragen die menschliche Verantwortlichkeit Gott gegenüber auf die Geschichte. Aber wenn „Verantwortlichkeit der Geschichte gegenüber" irgendeinen Sinn haben soll, so versäumen diese progressistischen Katholiken, ihrer „Verantwortung" gemäß zu leben, indem sie entweder dilettantische Urteile über historische Fakten fällen, oder die Geschichte umdeuten, um ihren Vorurteilen Glaubwürdigkeit zu verschaffen.

Es gibt z. B. eine moderne Argumentation, die so lautet: Den Christen in den vergangenen Jahrhunderten mangelte es an Liebe zu den Menschen und sie liebten nur Gott, während umgekehrt Atheisten, obwohl sie Gott ablehnten, die Menschen geliebt haben. Es ist schwer zu sagen, ob in dieser Behauptung die Unkenntnis der Geschichte auffallender ist oder die Doppeldeutigkeit der Verwendung der Begriffe „Atheisten" und „Christen". Jeder, der auch nur irgendetwas über die zweitausend Jahre christlicher Geschichte weiß, ist mit der Tatsache vertraut, daß die Liebe zu Christus in einer einzigartigen Liebe zu den Armen, den Leidenden und Kranken erblühte; dieselbe sieghafte Liebe bekundete sich auch darin, daß Christen sogar ihren Feinden verziehen.

(Dietrich von Hildebrand, Das Trojanische Pferd in der Stadt Gottes, 310ff)

Siehe zum Thema des Papstschreibens auch HIER und HIER.


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