Das vierte Mittel endlich
ist, dass du dich noch stärker und nachhaltiger von deiner großen Schwäche
überzeugen lässt, wenn du bisweilen in einen Fehler fällst. Darum ließ Gott
deinen Fall zu, damit du, durch denselben innerlich gewarnt und noch mehr
erleuchtet, dich als ein armseliges Geschöpf einzuschätzen und verachten lernst
und wünschst, auch von anderen ebenso eingeschätzt zu werden. Ohne eine
derartige Gesinnung gibt es kein wahres Misstrauen gegen sich selbst, weil es sich
eben nur auf wahre Demut und praktische Selbsterkenntnis gründet.
Es ist daher klar, dass
einem jeden, der sich mit dem göttlichen Lichte und der unerschaffenen Wahrheit
vereinen will, Selbsterkenntnis vonnöten ist.
Nicht selten verleiht Gott
sie den Stolzen und Vermessenen auf dem Wege einer Niederlage, indem er sie in
Fehler fallen lässt, vor denen sie sich sicher fühlten, damit sie sich auf
diese Weise kennen und misstrauen lernen.
Dieses empfindlichen
Mittels bedient sich aber Gott nur dann, wenn die anderen, milderen, von denen
im vorigen die Rede war, versagen und den von seiner Güte beabsichtigten Erfolg
nicht zeitigen.
Gottes Güte lässt den Menschen
nämlich mehr oder weniger tief fallen, je nachdem sein Stolz oder seine
Einbildung größer oder geringer sind, so dass kein Fall eintritt, wo gar keine
Selbstüberhebung vorhanden ist, wie dies bei der Allerheiligsten Jungfrau Maria
zutraf.
Lorenzo Scupoli
(1530-1610) war Priester im Orden der Theatiner. Im achten Jahr seines
Priestertums wurde er degradiert und lebte fortan als Laienbruder in seiner
Gemeinschaft.
Alle Zitate aus: Lorenzo
Scupoli, Der geistliche Kampf.
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