Der Introitus atmet noch
die Schauer der heiligen Nacht. Es ist, als hätten wir den geheiligten Raum der
liturgischen Feier seit der weihnachtlichen Mitternachtsstunde noch nicht
verlassen. Wie aus tiefer mystischer Versunkenheit erhebt die Kirche ihre
Stimme, um abermals das große Geschehen zu verkünden:
„Während tiefes Schweigen
alles ringsumher umfing und die Nacht inmitten ihres schnellen Laufes war, kam
dein allmächtiges Wort vom Himmel her, vom Königsthrone."
Worte, mit denen das Buch
der Weisheit Gottes Advent, sein Erscheinen und Eingreifen in der Paschanacht
des israelitischen Volkes schildert, nimmt sie auf ihre Lippen, um die
Fleischwerdung des Logos, der zu unserer Erlösung aus dem Ägypten der Sünde
erscheint, ehrfürchtig und staunend auszusprechen. Wort und Melodie sind von
erhabener Feierlichkeit. Sie gebieten die lautlose Stille, die dem Mysterium
geziemt. Gott wird gegenwärtig. Darum schweige der Mensch. Es schweige nicht
nur jeder ungeziemende Laut.
Es schweige auch jede
persönlich-subjektive Bitte, die menschliche Sorge, das irdische Denken. Der
Logos Gottes ist zugegen, das Wort des Vaters erfüllt den Raum. Seine
unendliche Botschaft wird in Jahrhunderten und Jahrtausenden nicht zu Ende
vernommen — wir schweigen und lauschen.
(Aemiliana Löhr, Das
Herrenjahr)
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