Denn wenn auch Johannes
verkündigte, was er sah: den menschgewordenen Gott, so hat doch die Kirche mehr
gesehen als er: die Erlösung der Welt und die Herrlichkeit des neuen Menschen! Diese
Wunder konnte Johannes in der Jordantaufe, die, wie wir noch sehen werden, ein
Bild des Todes und der Auferstehung des Herrn war, nur ahnen. Darum ist nach
dem Wort des Herrn der Geringste im Gottesreich der Kirche „größer als Johannes
der Täufer".
In der Adventsbotschaft
der Kirche dunkeln nicht mehr die Schatten der jahrtausendelangen Unerlöstheit,
sondern flammt und jubelt das Licht einer fast zweitausendjährigen Erfahrung
des Heiles. „Deus manifeste veniet - Gott kommt sichtbar", ruft sie. Ich
trage ihn in mir: hier ist er, seht ihn! Sie erwartet und verkündet, was sie
schon besitzt. In neuer Begehung des neuen Heilsjahres soll es ihr nur zu immer
tieferer Erfahrung und Erlösung werden.
Freude gewisser Erwartung
beherrscht darum heute alle Gesänge der Messe: Heroldsrufe, deren stürmischer
Jubel das Herz fast erzittern macht im Glück des Gegenwärtigen und Kommenden.
Gleich das Eingangslied klingt wie die Stimme eines gewaltigen Herolds, der von
Bergeshöhe seine Botschaft hineinruft in eine unabsehbare Menge freudig sich drängenden
Volkes. Worte des Isaias sind es, der seinem Volke das Ende der langen
Sehnsuchtsnacht vorhersagt und die Ankunft des Messias verkündet.
Aber der sie uns heute
zuruft, uns, dem Volke des Neuen Bundes, ist der Sänger der Kirche, ist die Kirche
selbst. Herold ist sie und Hörer zugleich: Herold in ihren Sängern, Hörer in
jedem von uns. Jetzt, wenn das Eingangslied angestimmt wird, umdrängen wir die
Höhe, woher der Ruf erschallt, wir, das neue Volk Sion, die Ekklesia Gottes.
(Aemiliana Löhr, Das
Herrenjahr)
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