So stellt uns gleich der
Introitus der Vigilmesse als wahres Tor zum Feste in die ganze, doppelte und
dreifache Wirklichkeit der Gottesankunft hinein: der gekommen ist und kommen
wird, kommt heute. Das ist mit einem Worte die Weihnachtswirklichkeit, die
gleich darauf in der Tagesoration nochmals mit aller Deutlichkeit ausgesprochen
wird:
„Laß uns deinen
Eingeborenen, den wir als Erlöser freudig empfangen, auch dann mit Zuversicht
schauen, wenn er als Richter kommt!"
Und beachten wir nun, daß
dieses nämliche Gebet von der „jährlichen Erwartung unserer Erlösung"
spricht, daß die Epistel von dem kommenden Herrn sagt:
„Er ist dem Fleische nach
aus Davids Samen geworden, gemäß dem heiligen Pneuma aber seit seiner
Auferstehung von den Toten zum Sohne Gottes in Macht bestellt", und daß
der Opferungspsalm gleichfalls das triumphale Bild des Siegers über Tod und
Hölle heraufruft, dem die „ewigen Tore" des Himmels sich zu glorreicher
Heimkehr öffnen, so haben wir hier gleich zu Beginn der liturgischen
Jahresfeier das Ganze der Erlösung vor uns, und es beweist sich aus der
Liturgie selbst heraus, daß „das Mysterium immer ganz" ist".
Wir feiern heute das
Kommen Gottes, sein erstes Erscheinen auf Erden, seine Geburt; aber mit ihr
zugleich kommt auch sein Tod und seine Auferstehung, kommt auch seine
Wiederkunft am Ende der Zeiten zur Darstellung.
Denn sein Kommen ist ein
Kommen zum Heile: „Veniet et salvabit nos." Das Heil aber wird gewirkt
durch Tod und Auferstehung und vollendet in der Wiederkehr, und wenn diese
zeitlich auseinanderliegen, so fallen sie doch in der mystischen Gegenwart der
Liturgie zusammen. Gottesankunft und Menschenheil sind eins: Er kommt und
heilt. Er kommt als Heiland, und das heißt: als Sterbender und Auferstehender.
Und so begreifen wir noch mehr, warum das Hodie des Introitus diesen
herzanrührenden Liebes klang hat: Nicht nur das Lallen des Kindes, auch der
Schrei des am Kreuze Sterbenden ist in ihm.
Und darum auch der
merkwürdig offene Schluß des Offertoriums. Ist er nicht wie ein Umwenden an der
Tür? Das Kind tritt ein in die Welt, und für den Blick der Liturgie ist das
zugleich schon der Eintritt des vom Kreuze zu Gott Erhöhten in den Himmel. Aber
auf der Schwelle zögert er und blickt zurück das ist die Erwartung des Mane,
die Erwartung der vollen Heilswirklichkeit. Er will nicht allein eintreten.
Zuerst muß geschehen, was
die Communio als vollendet schaut: „Entschleiert wird die Herrlichkeit des
Herrn, und alles Fleisch schaut unseres Gottes Heil."
Wenn alle mit dem jetzt
Kommenden das heilbringende Leiden durchlitten haben und verklärt worden sind,
dann wird der „König der Herrlichkeit" vollends eintreten, das Haupt mit
dem Leibe, und es wird sich erfüllen, wozu die Welt geschaffen wurde: die
Menschen werden Gott schauen.
(Aemiliana Löhr, Das
Herrenjahr)
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