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Samstag, 8. Dezember 2012

Das Meer ist ihr Kloster (2 von 14)

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Es war eine seltsame Zusammensetzung. Aber die Erklärung für ihre Seltsamkeit war so einfach wie die Regel St. Benedikts, und sie hätte leicht von dem gegeben werden können, der die Gruppe ausgewählt hatte - Dom Maxim, dem Abt von Melleray.
Monatelang hatte er gebetet und überlegt. Er erkannte, dass sein Kloster beängstigend überfüllt war. Weder in der Kirche noch im Refektorium, noch im Schlafsaal war Platz. genug. Auch der kleinste Winkel wurde ausgenutzt. Die Mönche schliefen in Räumen, denen man den Namen „Hühnerkörbe“ gegeben hatte, und sogar in Wagenschuppen. Und noch immer kamen Postulanten. Er wollte keinem den Eintritt verwehren, der glaubte, den Ruf Christi gehört zu haben. Das Kloster, das für hundertfünfzig Insassen gebaut war, beherbergte mehr als zweihundert. Natürlich hätte man auf dem weitläufigen Gelände der Abtei Notunterkünfte schaffen können, doch der Abt hielt es für richtiger, sowohl im Interesse des einzelnen als auch des ganzen Ordens, eine Neugründung vorzunehmen.

Er traf die Entscheidung, wohl wissend, dass nicht nur die, welche gingen, Opfer zu bringen hatten, sondern auch die Zurückbleibenden. Männer, die für Melleray wertvoll waren, gingen dem Hause verloren. Ja, jeder Gewinn für die Neue Welt war ein spürbarer Verlust für die Alte. Die Gründung würde teuer zu stehen kommen. Als der Abt im Mai 1848 den Grund zu dem Unternehmen legte, bedeutete das schmerzliche Opfer für ihn selbst und das Mutterhaus: Er schickte P. Paulinus, seinen Prior und vertrauten Ratgeber, mit P. Paul nach Amerika; dort sollten sie einen geeigneten Platz für ein Trappistenkloster aussuchen. So hatte er selbst das Beispiel gegeben; und nun hieß es für ihn, eher Freiwilligen die Erlaubnis zu gehen verweigern, als Kraft des Gehorsams irgend jemanden verpflichten.

Am 7. August schrieb P. Paul einen begeisterten und ausführlichen Brief nach Melleray. Er berichtete von der Reise, der Ankunft und dem Empfang, von den Anerbieten verschiedener Bischöfe an der Ostküste. Aber das alles war nur eine Einleitung zu der Beschreibung von Gethsemani, die sich anhörte, als ob die Trappisten in einen Teil des Paradieses geraten seien. P. Paul berichtete, dass ein Kloster für 200 Insassen und mehr auf dieser Besitzung gebaut werden könne und dass das Haus, das auf diesem Grundstück stehe, für 60 Ordensleute ausreiche. Als Dom Maxim den geforderten Preis las, glaubte auch er auf etwas Paradiesisches gestoßen zu sein. Für 25 000 Francs sollte er fast 1 500 Morgen Land, ein Haus für 60 Personen, viele Nebengebäude, eine kleine Viehherde. Ackergeräte und eine Ernte erhalten, die nur eingebracht zu werden brauchte.

(aus Fr. M. Raymond, Die weißen Mönche von Kentucky, Freiburg 1956)

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