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Donnerstag, 13. Dezember 2012

Das Meer ist ihr Kloster (7 von 14)

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Alle waren sichtlich enttäuscht, aber P. Eutropius begrüßte die Nachricht, hatten sie doch nun Gelegenheit, das große Fest Allerheiligen gemeinsam mit den Schwestern zu feiern und das hl. Opfer für die armen Seelen darzubringen. Viele aus der Kommunität freuten sich mit ihm über den Aufschub, denn keine Andacht ist den Trappisten so teuer wie die für die Verstorbenen.

Der 2. November war ein stürmischer Tag. Aber kurz nach Mittag wandte die kleine tapfere Braunschweig" Frankreich den Rücken und fuhr dem Meere entgegen. Die Passagiere waren schon seekrank, noch ehe die Taue aufgerollt waren.

Am Freitagmittag stolperte der Maat am Fuße des Besanmastes über P. Eutropius. Der Trappist spuckte Blut. Caulkins schleppte ihn zur Luke und dann hinunter ins Zwischendeck. Alle Mönche bis auf drei befanden sich im gleichen Zustande wie ihr Superior. Was Kapitän Thomas vor kurzem noch ein Heiligtum genannt hatte, war jetzt nichts weiter als ein Krankenhaus mit Schwerkranken. Am folgenden Montag stieg Caulkins die gleiche Luke wieder hinab, diesmal in Begleitung von zwei Ärzten aus der ersten Klasse. P. Eutropius hatte dringend darum gebeten.

Noch ehe der letzte die Leiter vollends hinabgestiegen war, dankte ihnen P.Eutropius für ihr Kommen und sagte, einer seiner Mönche sei sehr krank. Er glaube, der Kranke habe in der vergangenen Nacht einen Schlaganfall bekommen, nun bitte er um Rat, was zu tun sei.

Schnell führte er die Ärzte zu der Koje, in der P. Benezet lag. Die Ärzte beugten sich über ihn, fühlten den Puls und zogen die Augenlider in die Höhe. Die Untersuchung war schnell beendet. Die Ärzte richteten sich auf, blickten einander an und wandten sich zum Gehen. P. Eutropius, der erriet, dass sie sich nicht in Gegenwart des Kranken äußern wollten, führte sie hinaus. Er hatte in ihren Mienen gelesen, und sein Mund zog sich zu einer strengen Linie zusammen. Als sie den Raum der Mönche verlassen hatten, wandte er sich an sie. „Es ist eine Lähmung, nicht wahr?" fragte er und sprach sehr laut, um sich bei dem Sturm verständlich zu machen.
Die Ärzte nickten.
"Wie alt ist er?" wollte der ältere wissen. „Siebzig", erwiderte der Prior.
Die Ärzte wechselten einen Blick, dann schüttelten sie den Kopf. „Es tut mir leid", sagte der Sprecher, „aber ich fürchte, wir können nichts für ihn tun." „Besteht gar keine Hoffnung mehr?" fragte der Superior besorgt. „Bei diesem Alter nicht, Hochwürden. Aber seien Sie unbesorgt, er wird kaum leiden."

(aus Fr. M. Raymond, Die weißen Mönche von Kentucky, Freiburg 1956)


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