Am
1. Dezember war die „Braunschweig" im Golf von Mexiko. Neues
Leben durchpulste sie und die ganze Belegschaft. Nun stand es fest, dass alle
Rekorde gebrochen waren. Bisher hatte sie immer etwas weniger als 50 Tage
gebraucht. Diesmal hatte sie es in knapp dreißig geschafft.
Kapitän
Thomas war wie umgewandelt. Er wurde mitteilsam und machte Bemerkungen über den
offensichtlichen Gegensatz zwischen den Mönchen und den
übrigen Passagieren. Am Tage des Begräbnisses
war dieser deutlich geworden, denn die „Trauernden" - die Mönche - waren
die einzigen, die weder Angst hatten noch wirklich
traurig waren. Mit jedem der kommenden Tage wurde der
Gegensatz deutlicher.
Sobald
das Schiff ruhigere Fahrt hatte sorgte P. Eutropius
dafür, dass die Kommunität eine Tagesordnung befolgte,
wie im Kloster zu Melleray. Das Offizium wurde zu festgelegten
Stunden gesungen. Lesung und Studium waren für die Chormönche angesetzt und
Arbeiten für die Laienbrüder. Tag für Tag konnte man
sie in ihrem Raum bei den angewiesenen Beschäftigungen
finden: Die einen beugten sich über ihre Rosenkränze,
andere flochten kurze Schnüre und knoteten sie zu Geißeln,
wieder andere schnitzten Holzschuhe
oder arbeiteten etwas aus Leder. Ob Tag oder Nacht,
nie waren diese 43 Männer des Schweigens
müßig. Wegen dieser Ordnung
und
der ständigen Beschäftigung herrschte im „Kloster" eine Atmosphäre des
Friedens.
Der
4. Dezember 1848 lag golden über dem Golf. Am
frühen Morgen kam der Flußpilot auf die „Braunschweig
", und alles geriet außer sich vor Aufregung.
Sobald das Schlepptau über den Bug des Schiffes glitt, klatschte Kapitän Thomas
in die Hände, tätschelte das Steuerrad vor sich und rief: „Vor
genau 32 Tagen haben wir Le Havre verlassen. Welch eine Fahrt!" Sein Gesicht
glühte vor Begeisterung, als er aus dem
Steuerhaus an die Reling trat, wo P. Eutropius
stand und voll Bewunderung den Flußpiloten betrachtete,
der jetzt an jeder Seite ein Schiff führte und die „Braunschweig"
vom Heck aus lenkte.
„Guten
Morgen, Pater", grüßte der Kapitän laut.
„Warum lassen Sie nicht alle Mönche an Deck
kommen? Hier gibt es allerhand zu sehen. Bis
New Orleans sind es noch gut 30 Seemeilen. Wir erreichen das Dock erst morgen.
Lassen Sie sie nach oben kommen, ich will ihnen ein wirkliches Wunder zeigen."
Fünf
Minuten später war die Reling von Passagieren umlagert, die ins Wasser
starrten. Rufe der Überraschung und des Schreckens wurden plötzlich laut. Das
Schiff hatte die Mündung des Mississippi erreicht, unter der Oberfläche wurde
ein Kampf zwischen den Fischen des Flusses und denen des Golfes ausgetragen,
und zwar mit einer solchen Heftigkeit, dass es schien, die Wände des Schiffes
würden mit gepolsterten Dreschflegeln bearbeitet.
(aus
Fr. M. Raymond, Die weißen Mönche von Kentucky, Freiburg 1956)
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