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Mittwoch, 12. Dezember 2012

Das Meer ist ihr Kloster (6 von 14)

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Samstagmorgen ging der Superior an Bord und war sehr zufrieden mit den Anordnungen, die der Ökonom getroffen hatte.
Früh am Sonntagmorgen traf der Ökonom den Superior am Haupteingang des Hospizes. Das Gesicht des P. Eutropius war wie aus Stein gemeißelt, und die Augen blickten finster, als er in den Regen hinaus starrte.
Die Brüder Leo, Medardus und Jakobus sind heute früh angekommen." „Gut!"Wirklich? Sie kamen aber ohne das Gepäck. Ich muss sofort nach Paris fahren. Ich werde das Gepäck herbeiholen, oder ... " „Und was sollen wir tun?" rief der Ökonom dem Enteilenden nach. „Beten!" antwortete der Superior über die Schulter. An der Tür wandte er sich um. „Leben Sie heute hier nach der Regel. Die Schwestern stellen Ihnen die Kapelle für das Chorgebet zur Verfügung. Morgen nehmen Sie einige mit und machen unsern Raum auf, dem Schiff fertig. Erwarten Sie mich Dienstagmorgen. "

Am Dienstagmorgen hielt P. Emmanuel vergebens nach dem Superior Ausschau. Es wäre wohl ein recht verdrießlicher Tag geworden, wenn nicht die 12 Tonnen Gepäck mit dem 10-Uhr-Zug gekommen wären. Sie mussten sofort zum Hafen und auf Deck befördert und dann im Zwischendeck verstaut werden.

Sehr früh am Mittwochmorgen stieg der Prior in gehobener Stimmung aus dem Zuge und kam sichtlich befriedigt zum Hospiz. Er hatte mehrere Freunde in der Hauptstadt besucht und ihnen von
seiner Aufgabe erzählt. Um 18 000 Francs reicher kehrte er zurück. „Aber dies hier", sagte er, „ist von allen die kostbarste Gabe!" Damit stellte er einen herrlichen Kelch mit Patene vor sich auf den Tisch.Der Pfarrer von St. Thomas von Aquin gab ihn uns. Ich will jetzt zelebrieren und das herrliche Geschenk zum ersten Mal benutzen. Gemeinsam wollen wir Gott danken für seine Gnade und ihn um Schutz für die Reise bitten. Vergessen wir vor allem nicht, seinen Segen auf unsere vielen Freunde und Wohltäter herabzuflehen."

Kurz nach Mittag stand die Kommunität in Doppelreihen, wie es bald ihre Gewohnheit geworden, zur Abreise bereit. Ihre Bündel waren gut gefüllt mit den Geschenken der mütterlichen Schwestern, die sich nun an der Pforte zum letzten Lebewohl eingefunden hatten. In herzlichen Worten dankte der Superior im Namen aller, und man hörte es seinen Worten an, wie ernst er sie meinte. Er wollte gerade das schmale Holzkreuz auf die Schultern nehmen, als Bruder Hilarion keuchend an die Pforte kam und meldete, Kapitän Thomas würde vor dem frühen Nachmittag des folgenden Tages nicht fahren.

(aus Fr. M. Raymond, Die weißen Mönche von Kentucky, Freiburg 1956)

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